Fachartikel von Lucas Müller im Personalmagazin, April 2021

Finanzielle Gesundheit – und die entscheidende Rolle des Arbeitgebers

In einer 2019 veröffentlichten Studie des Beratungsunternehmens Aon in Zusammenarbeit mit Statista gibt jeder dritte Arbeitnehmende an, dass finanzielle Sorgen seine Arbeitsleistung beeinträchtigen. Die Folgen reichen von Konzentrationsproblemen bis hin zu Fehlzeiten. Es ist davon auszugehen, dass sich die Situation aufgrund der Pandemie verschärft hat. Die Bedeutung der finanziellen Gesundheit kann jedoch nicht hoch genug eingeschätzt werden. Zeit, deshalb über Financial Wellbeing als Treiber für Resilienz zu reden.

Resilienz bezeichnet die Widerstandsfähigkeit der Arbeitskräfte. Resiliente Mitarbeitende fühlen sich an ihrem Arbeitsplatz sicher, sind motiviert, mit ihrer Tätigkeit und ihrem Arbeitsumfeld zufrieden, können ihr Potential voll ausschöpfen und sich Veränderungen schnell anpassen. Kurz, sie sind widerstandsfähig und auch in unsicheren Zeiten produktiv. Und weil Arbeitgeber danach streben, mit ihren Unternehmen auch in Krisen attraktiv und erfolgreich zu sein, brauchen sie resiliente Mitarbeitende. 

Resilienz bedingt Wellbeing, was verschiedene Komponenten vereint: das physische, das psychische, das soziale, das berufliche und das erwähnte finanzielle Wellbeing. Sie alle sind gleichermaßen für den Aufbau einer resilienten Belegschaft entscheidend. Wellbeing ist der Input und Resilienz im Idealfall der Output. Der vorliegende Artikel will näher auf das finanzielle Wellbeing eingehen. 

Die Aon-Studie besagt, dass 37% der befragten Arbeitnehmenden ihre Leistungsfähigkeit durch finanzielle Sorgen eingeschränkt sehen. Viele kämpfen mit Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafstörungen und erwähnen allgemeine gesundheitliche Probleme. Mehr als ein Drittel sucht während der Arbeitszeit nach Lösungen für die finanziellen Probleme, bei rund 10% führen die Sorgen zu Fehlzeiten. 

Eine aktuelle Studie des Benefits-Spezialisten Benify definiert Financial Wellbeing als (i) die Freiheit, Entscheidungen zu treffen (z.B. Urlaub, Hobbies), (ii) die Fähigkeit, herausfordernde Zeiten zu meistern (z.B. Jobverlust, Unfall, Krankheit, Berufsunfähigkeit), (iii) die Kontrolle über die alltäglichen Finanzen zu haben (z.B. Budget, Ausgaben, Schulden) sowie (iv) über die Ressourcen zu verfügen, um für die Zukunft zu planen (z.B. Sparen, Rente, Rücklagen).

Finanzielles Wellbeing führt demnach zu finanzieller Unbeschwertheit, zu innerer Ruhe und Gelassenheit. Mitarbeitende ohne finanzielle Sorgen sind weniger gestresst und demnach gesünder und fokussierter. Das führt zu höherer Lebensqualität, Motivation und Produktivität. Eine klassische Win-win-Situation für Arbeitgeber und Arbeitnehmende. Ein faires Gehalt ist der erste – wichtige – Schritt und wird von guten Unternehmen auch vorbehaltlos geboten. Finanzielle Unbeschwertheit bezieht sich aber insbesondere auch auf den zweiten Punkt der Benify-Aufzählung – auf die Fähigkeit, herausfordernde Zeiten und Schicksalsschläge wie zum Beispiel die Folgen einer Berufsunfähigkeit meistern zu können. Hier sollten Arbeitgeber verstärkt eine aktive Rolle übernehmen und mit geeigneten Benefits finanzielle Sicherheit schaffen. 

Was ist damit gemeint? Lassen Sie uns die finanziellen Auswirkungen einer Berufsunfähigkeit für einen Arbeitnehmer in Deutschland und für einen Arbeitnehmer in der Schweiz vergleichen. Beide Länder kennen das Drei-Säulen-System, das dank einem funktionierenden Zusammenspiel staatlicher, beruflicher und privater Vorsorge den gewohnten Lebensstandard sichern soll. Im Krankheitsfall sind Arbeitnehmende in beiden Ländern dank der Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers und dem nachfolgenden Kranken(tag-)geld bis zu 18 respektive 24 Monate finanziell relativ gut abgesichert. Dauert die Krankheit länger an und führt sie zu einer Invalidität, werden in beiden Ländern staatliche Leistungen fällig (Erwerbsminderungsrente bzw. Invalidenrente in der Schweiz), die aber nur einen Bruchteil des Gehalts kompensieren. Die staatliche Vorsorge, also die 1. Schicht in Deutschland respektive die 1. Säule in der Schweiz, dient schlicht der Existenzsicherung. 

Nun der bemerkenswerte Unterschied: Die 2. Schicht, also die betriebliche Altersvorsorge bAV, ist in der Schweiz seit 1985 im Rahmen des Beruflichen Vorsorgegesetzes BVG gesetzlich verankert. Das heißt, dass Arbeitgeber ihre Beschäftigten in der Schweiz gegen die finanziellen Risiken von Invalidität und Tod obligatorisch absichern müssen. Arbeitnehmende in der Schweiz erhalten zusätzlich zur staatlichen Leistung eine vom Arbeitgeber zugesagte Invalidenrente im Umfang von durchschnittlich 60% des versicherten Bruttojahresgehalts. Die berufliche Vorsorge dient der Sicherung des gewohnten Lebensstandards, die zusätzliche Rente des Arbeitgebers ist zur Erreichung dieses Ziels unerlässlich. In Deutschland gehört eine flächendeckende, über den Arbeitgeber kollektiv abgeschlossene Versicherungsdeckung noch nicht zum Standard, weshalb rund 75% der deutschen Arbeitnehmenden bei einer länger andauernden Krankheit nach dem Ende des Krankengelds in ein finanzielles Loch fallen. Die finanzielle Sicherheit und damit das Financial Wellbeing ist nicht gegeben – und damit fehlt ein wichtiger Teil zur Förderung der Resilienz.

Vergleichbare, kollektive Absicherungslösungen wie die Betriebliche Einkommenssicherung gibt es mittlerweile auch in Deutschland, und die Nachfrage nimmt stetig zu. Diese kollektiven Zusagen führen dabei nicht nur zur gewünschten finanziellen Sicherheit, sondern zahlen auch direkt auf die Arbeitgebermarke ein. 

Wenn sie gut und einfach kommuniziert werden, entfalten Benefits zur finanziellen Sicherheit große Wirkung in der Belegschaft. Versicherung ist meist kein attraktives Gesprächsthema, finanzielle Unbeschwertheit hingegen schon. Es ist Zeit, in das Financial Wellbeing der Belegschaft zu investieren: Als Arbeitgeber kann man es sich nicht länger leisten, sich nicht darum zu bemühen.

Zur Person
Lucas Müller
CEO elipsLife Germany & Austria

Fachartikel von Lucas Müller «Finanzielle Gesundheit – und die entscheidende Rolle des Arbeitgebers»

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