elipsLife-Interview mit Thomas Amstutz
echo-interview, August 2016

Keine AHV-Sanierung auf Kosten der Pensionskassen

ELIPSLIFE ECHO - EINE GESPRÄCHSSERIE MIT PERSÖNLICHKEITEN AUS DER WIRTSCHAFT

Keine AHV-Sanierung auf Kosten der Pensionskassen

Echo-Interview mit Thomas Amstutz, CEO Feldschlösschen Getränke AG

elipsLife echo: Herr Amstutz, Feldschlösschen ist seit Jahren Marktführer unter den Schweizer Bierbrauern. Wie schaffen Sie es, diese Stellung zu halten?

Thomas Amstutz: Feldschlösschen ist seit über 120 Jahren Marktführer in der Schweiz. Dies ist für uns Genugtuung und Herausforderung zugleich. Die Herausforderung nehmen wir an, indem wir auf unsere Stärken Meister, Pionier und Partner zurückgreifen. Mit Meister meine ich Qualität, die wir in unseren Produkten über Jahrzehnte bewiesen haben. Nebst dieser kompromisslosen Qualität ist es vor allem der Pioniergeist, der uns die Marktführerschaft erhält. So ist Feldschlösschen die erste Brauerei in der Schweiz, die einen direkten Gleisanschluss einführte und erstmals ausserhalb einer Stadt braute. Wir nahmen als erste eine Eismaschine in Betrieb und beendeten damit das mühsame Sägen von Eisblöcken. Und wir brachten als erste Brauerei ein alkoholfreies Bier auf den Markt. Der Pioniergeist zieht sich wie ein roter Faden durch unsere Firmengeschichte. Auch im Umweltbereich: Feldschlösschen führte 1970 als erstes Unternehmen in der Schweiz eine Biogasanlage ein und war somit ein Vorreiter der grünen Welle. Das Umweltdenken ist Bestandteil unserer Kultur.

Ich sehe es als meine grösste Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Feldschlösschen als Marktführer nicht träge wird, sondern diesem Pioniergeist weiter nachlebt.

Wie zentral ist das Marketing bei der Positionierung Ihrer Marke?

Wir müssen unterscheiden zwischen der Positionierung des Unternehmens Feldschlösschen und der Positionierung der Marke Feldschlösschen. Die Marke Feldschlösschen ist die wichtigste unserer Marken und macht 60% unseres Bierumsatzes aus – jedes vierte in der Schweiz getrunkene Bier ist ein Feldschlösschen. Als Unternehmen haben wir insgesamt einen Marktanteil von 42%, nebst Feldschlösschen gehören auch Marken wie Cardinal, Warteck, Hürlimann oder Gurten dazu. Damit die verschiedenen Marken Erfolg haben, braucht es Pionierleistungen und zwar in verschiedensten Bereichen. Dazu gehört neben der Logistik, der Produktion und neuerdings der Digitalisierung auch das Marketing.

In der Schweiz schiessen seit Jahren Kleinbrauereien aus dem Boden. Warum dieser Boom?

Dieser Boom ist ein klarer Trend gegen die Globalisierung. Der Konsument will wissen, woher die Ware kommt, und er wünscht sich wieder vermehrt Produkte aus der Nähe. Feldschlösschen ist sowohl als Marke wie auch als Unternehmen schweizerisch, die Produkte werden in der Schweiz hergestellt. Der Trend gegen die Globalisierung und pro Regionales ist im Detailhandel unübersehbar. Auch wir haben diesen Trend aufgenommen und zum Beispiel unsere Marke Valaisanne praktisch vom Unternehmen Feldschlösschen getrennt. Valaisanne wird als eigenständiges, lokales Unternehmen geführt.

Echo-Interview mit Thomas Amstutz, CEO Feldschlösschen Getränke AG

Die Schweiz hat eine der höchsten Brauereidichten der Welt. Warum ist Bier in unserem Land so beliebt?

Mittlerweile gibt es rund 700 Brauereien in der Schweiz. Diese von der Oberzolldirektion regelmässig veröffentlichte Zahl steigt wöchentlich. Allerdings machen die grössten 17 Brauereien rund 96% der gesamten Bierherstellung in der Schweiz aus. Diese Zahlen muss man immer in Relation zur Brauereidichte sehen. Sehr positiv ist, dass durch die Vielzahl an Brauereien das Bier zum Thema wird. Die vielen Kleinbrauer tragen zur Wiederbelebung eines ganzen Wirtschaftszweigs bei, bringen den Wettbewerb zum Spielen und sorgen dafür, dass Bier vermehrt gesellschaftsfähig wird. Wurde früher bei einem Apero nie Bier serviert, ist dies heute immer öfter zu sehen. Es ist inzwischen durchaus akzeptiert, auch in gehobener Gesellschaft Bier zu trinken. Übrigens ist der Pro-Kopf-Konsum in der Schweiz seit 2004 mit zwischen 55,3 und 58 Litern pro Jahr sehr konstant. Damit liegt die Schweiz in Europa im hinteren Mittelfeld.

…. dann sind Kleinbrauereien also keine Konkurrenten, sondern tragen im Gegenteil massgeblich zu einem besseren Image des Biers bei?

Sie fördern sicher das Image des Biers. Unter Brauern spricht man übrigens nicht von Konkurrenz, sondern von Wettbewerb. Man schätzt gegenseitig die Arbeit des anderen. Im Markt hat grundsätzlich jeder Marktspieler einen Platz. Eine Kleinbrauerei könnte aber nie zum Beispiel ein eidgenössisches Schwingfest stemmen. Trotzdem, Kleinbrauereien sind ganz klar auch eine Herausforderung für Feldschlösschen. Sie tragen zur Vielfalt des Angebots bei, gestalten Trends und nehmen Bedürfnisänderungen der Konsumenten auf. Dies hält uns auf Trab. Wir müssen uns anpassen können – unser Pioniergeist ist einmal mehr gefordert.

Nicht nur neue Kleinbrauereien sind im Markt, auch die Nachfrage nach ausländischem Bier ist stark gestiegen. Seit dem Jahr 2000 hat sich dessen Anteil auf über 26% fast verdoppelt. Wie wehrt sich der Marktführer gegen diese Entwicklung?

Seit 2000 hat sich der Import von Bier aus dem Ausland zwar fast verdoppelt, sich aber in den letzten drei Jahren stabilisiert. Rund 50% des importierten Biers stammen aus Deutschland. Der Grund für die Verdoppelung des Importanteils waren vor allem die Billigbiere aus Deutschland. Heute kostet ein deutsches Billigbier zwischen 29 und etwa 50 Rappen pro Halbliterdose. Eine Dose Feldschlösschen kostet hingegen zwischen 1.70 Fr. und 1.80 Fr. Der Konsument kann also für den Preis einer Halbliterdose Feldschlösschen vier bis fünf Dosen deutsches Bier bekommen. Wir müssen daher tagtäglich den Konsumenten beweisen, dass unsere höhere Qualität diesen Mehrpreis rechtfertigt.

Produziert Feldschlösschen ausschliesslich in Rheinfelden?

Wir produzieren in Rheinfelden und in Sion. Im Ausland haben wir keine Produktionsstätte. Gebraut wird in der Schweiz auch das internationale Premium-Bier Carlsberg für den Schweizer Markt. Hingegen importieren wir andere Biere der Carlsberg-Gruppe, ausgelesene Spezialitätenbiere wie beispielsweise das französische 1664 für die Westschweiz. Biere im Billigsegment führen wir nicht ein.

Verkauft Feldschlösschen auch im Ausland?

Nein, es gibt zwar zwei Brauereien in Deutschland, die auch Feldschlösschen heissen, aber das ist Zufall. Unser Feldschlösschen Bier kann man im Ausland nicht kaufen. Das ist ein reines Schweizer Produkt, direkt aus dem Schloss – nur für die Schweiz.

Welche Ingredienzen gehören aus Ihrer Sicht zu erfolgreichem Unternehmertum?

Erfolgreiches Unternehmertum hat vor allem in der Schweiz sehr viel mit Pionierleistungen zu tun. Weil die Schweiz als Produktionsstandort teurer ist, müssen wir uns immer neu erfinden und uns mit Leistungen von unseren Mitbewerbern aus Übersee und Europa abheben. Zu diesem Zweck braucht es Investitionen genau in den Bereichen, in denen wir uns abheben wollen. Und es braucht Rahmenbedingungen, die solche Investitionen zulassen, anstatt immer mehr einschneidende Massnahmen, welche die freie Marktwirtschaft behindern.

elipsLife-Interview mit Thomas Amstutz

Wie viele Mitarbeitende beschäftigt die Feldschlösschen Getränke AG?

Wir haben in Rheinfelden rund 650, in der ganzen Schweiz etwa 1‘300 Mitarbeitende.

Spielen das Thema Altersvorsorge bzw. die Vorsorgeleistungen bei Neuanstellungen eine Rolle?

Nein – und das ist aus Unternehmenssicht falsch. Vor allem, wenn man wie wir eine eigene, sehr gut funktionierende PK mit einem guten Deckungsgrad und einer sicheren, konservativen Anlagestrategie hat. Wir müssten unsere PK-Leistungen auf ein Lohnangebot aufrechnen und betonen, was wir da zusätzlich an Sicherheit bieten. Bisher machen wir das viel zu wenig. Auf der anderen Seite werden wir in Anstellungsgesprächen kaum auf die Leistungen unserer PK angesprochen. Feldschlösschen ist ein attraktiver Arbeitgeber, in Anstellungsgesprächen stehen insbesondere bei der jüngeren Generation Themen wie Freizeit, günstige Konditionen beim Bezug von Getränken, aber auch die Leistungen des Unternehmens für die Umwelt und die Gesellschaft im Vordergrund. Erst wenn man älter wird, steigt das Interesse an der PK.

Um die Reform der Altersvorsorge 2020 zu verstehen, muss man sich damit auseinandersetzen, es braucht Kommunikation. Ist das in Ihrem Unternehmen ein Thema?

Nein, bisher ist die Reform kein Thema gewesen. Fälschlicherweise – und erstaunlicherweise – haben Fragen rund um die Altersvorsorge nicht den Stellenwert, den sie haben müssten. Wir wissen alle, dass wir in der Altersvorsorge in ein grosses Problem laufen. Das zeichnet sich wegen der demografischen Entwicklung so sicher ab wie das Amen in der Kirche. Die Krux ist doch, dass Politiker jeweils für vier Jahre gewählt sind. Warum sollen sie ein solch unsympathisches Projekt wie die Reform der Altersvorsorge mit einer unabdingbaren Erhöhung des Rentenalters durchdrücken, wenn das politisch nicht durchsetzbar ist?

elipsLife-Interview mit Thomas Amstutz

Die Schweiz hat mit dem 3-Säulen-System ein gut entwickeltes Vorsorgesystem, das die staatliche und private Vorsorge kombiniert. Wie sehen Sie die Zukunft dieses Systems?

Das ist ein sensationelles System. Das einzig richtige! Einmal mehr hat die Schweiz hier bewiesen, dass sie zu Pionierleistungen fähig ist. Auf der einen Seite übernimmt der Staat einen Teil, auf der anderen die Unternehmen zusammen mit den Arbeitnehmenden. Dank der dritten Säule kann jeder zusätzlich für sich selbst schauen – erst noch steuerlich begünstigt. Was gibt es Besseres als dieses 3-Säulen-System? Dieses gilt es unter allen Umständen beizubehalten.

Gewerkschaften und Linksparteien wollen die AHV auf Kosten der PKs und der privaten Vorsorge stärken. Ist das der richtige Weg?

Aus meiner Sicht ist das der absolut falsche Weg. Wir dürfen nicht noch mehr staatlich gesicherte Renten schaffen. Vielmehr muss die Reform der AHV als solche innerhalb der AHV erfolgen, dies ist jetzt anzugehen. Die Pensionskassen dagegen sind nicht anzutasten. Die beiden Systeme dürfen nicht vermischt werden und es wäre grundlegend falsch, über die PK die AHV zu sanieren. Ich bin fest davon überzeugt, dass eine solche Idee nie mehrheitsfähig sein wird.

Überalterung und tiefe Zinsen setzen die PKs unter Druck. Werden Pensionskassen – und damit wir alle – Opfer von nicht finanzierbaren Leistungsversprechen?

Wenn ich auf meinen jährlichen Pensionskassenausweis schaue, sehe ich Leistungen, die ich im Alter von 65 bekommen sollte. Diese Leistungen sind mit Hilfe des technischen Zinssatzes und des Umwandlungssatzes hochgerechnet. Wir werden sie, wenn wir dann mal 65 sind, nicht mehr bekommen. Aus meiner Sicht müsste die ganze Berechnung im Hinblick auf das Alter 65 auf dem PK-Ausweis weggelassen werden. Diese Hochrechnungen beruhen auf Parametern, die nicht in Stein gemeisselt sind. Es wäre somit gescheiter und fairer, auf dem PK-Ausweis nur die Leistungen auszuweisen, die man bis zum Rentenalter einbezahlt hat. Die Berechnungen mit dem technischen Zinssatz und dem Umwandlungssatz suggerieren etwas Falsches und wiegen die Arbeitnehmer in falscher Sicherheit.

Sollen aus Ihrer Sicht die Rentenbezüger an der Sanierung des Vorsorgesystems beteiligt werden – oder sind einmal erworbene Rentenansprüche tabu?

Dies ist eine ganz schwierige Frage. Je nachdem wie sich die Situation entwickelt, wird es wohl keine Lösung mehr geben, ohne die Rentenbezüger bei der Sanierung miteinzubeziehen. Ich bin der Meinung, dass zugesagte Rentenbezüge nicht angetastet werden sollten. Weil die Politik die rechtzeitige Reform der AHV zu verschlafen droht, fürchte ich aber, dass auch die Rentenbezüger zur Sanierung beitragen müssen.

elipsLife-Interview mit Thomas Amstutz

Wie stehen Sie zur Erhöhung des Rentenalters für Frauen auf 65?

Ich bin für eine sofortige Erhöhung. Bei der Einführung der AHV im Jahr 1948 war das Rentenalter für Frauen ja bei 65. Zudem wird sich das Rentenalter in Zukunft mit Sicherheit auf 67 oder gar 70 erhöhen, weil wir einfach zu wenig Zahlende haben, die in das System einzahlen. Hier tun sich die Politiker schwer. Niemand getraut sich, das Kind beim Namen zu nennen, geschweige denn, die heisse Kartoffel in die Hand zu nehmen. Aber der Druck wird bald einmal mal so gross sein, dass man sich des Problems annehmen muss.

Wenn Sie den Pensionskassen einen Rat geben könnten, wie würde er lauten?

Ich würde insbesondere im Anlagebereich auf eine konservative, sichere Strategie plädieren. Dabei gilt es immer zu bedenken, dass die PK-Verantwortlichen nicht mit dem eigenen, sondern mit dem Geld der Mitarbeitenden umgehen. Mein Rat: Möglichst breit und möglichst sicher anlegen – und daran denken, dass die Aktien- und Obligationenmärkte nicht die sichersten Häfen sind. Das haben die letzten Jahre wiederholt gezeigt.

Zur Person
Amstutz Thomas
CEO Feldschlösschen Getränke AG

Thomas Amstutz, 1967, ist seit dem 1. August 2012 CEO der Feldschlösschen Getränke AG in Rheinfelden. Der ehemalige Spitzenhandballer bei St. Otmar St. Gallen schloss 1992 sein Studium als lic. oec. an der Hochschule St. Gallen (HSG) ab. Seine berufliche Karriere startete er 1992 bei Unilever, zuerst als Brand Manager in Zürich, ab 1995 als European Innovation Manager in Paris. 1998 wechselte Amstutz zu Hero, wo er vorerst als Marketingleiter Hero Schweiz und ab 2001 als General Manager Hero Schweiz tätig war. Ab 2004 Mitglied der Konzernleitung, war er dannzumal verantwortlich für die Länder Schweiz, Italien, Frankreich, Holland und Japan. 2005 stiess Amstutz als CEO zur Feldschlösschen Getränke AG und wechselte 2008 innerhalb der Carlsberg Gruppe als CEO der Brasseries Kronenbourg nach Frankreich. 2012 kehrte er als CEO zur Feldschlösschen Getränke AG zurück.

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