Früher war vom Patron die Rede, heute machen Consultants Schlagzeilen, die direkt in Führungspositionen von Unternehmen wechseln, ohne Führungserfahrung mitzubringen.
Führung lässt viele Ausprägungen zu. Bei KMUs hat sich in Führungsfragen während der letzten 50 Jahre wenig Substanzielles verändert, bei der Führung von Konzernen dagegen schon. Erfolgreiche Führungskräfte von Konzernen können zu einem KMU wechseln, umgekehrt ist das fast unmöglich. Ein Consultant arbeitet häufig für grosse Unternehmen und unterstützt diese während Veränderungsprozessen. Dadurch sieht er, was gut läuft und was nicht. Wenn nun ein Consultant Lust hat, bei der Umsetzung von Massnahmen selber aktiv mitzuwirken und Verantwortung zu übernehmen, kann das für ein Unternehmen ein Gewinn sein. Als Consultant steht die Fachkarriere im Vordergrund, beim Wechsel in eine Führungsfunktion kommen die sozialen Kompetenzen zum Tragen.
Was ist denn erfolgreiche Führung? Was macht einen guten Vorgesetzten aus?
Man muss Menschen mögen, wie alt Bundesrat Adolf Ogi einmal sagte. Nebst der Tatsache, dass ein guter Vorgesetzter mit seinem Team die gesteckten Ziele erreichen muss, ist soziale Kompetenz ein wichtiger Faktor, um auch nachhaltig erfolgreich zu sein. Gute Chefs sind fähig, das Potenzial ihrer Mitarbeiter zu erkennen, weiterzuentwickeln und strategisch für den Unternehmenserfolg einzusetzen. Ein «zeitgemässer» Manager stellt das «Wir» in den Mittelpunkt, das Team. Ein guter Chef ist fähig, sein Team zu inspirieren, kommuniziert regelmässig, wohin die Reise geht, ist entscheidungsfreudig und schafft eine Vertrauenskultur, die Freiräume bietet, um das Potenzial der Mitarbeiter voll auszuschöpfen. Zudem muss eine Führungskraft damit leben können, nicht immer als persönliche Siegerin aus einer Runde hervorzugehen. Sie muss für das grosse Ganze unterwegs sein und nicht für ihr Ego.
Ihre Antwort zeigt: Offensichtlich spielt Sozialkompetenz eine zentrale Rolle. Ist sie in der Auswahl der Topmanager entsprechend prioritär?
Ja. Starke Unternehmen haben für sich den Begriff der -«erfolgreichen Führung» definiert. Nur wer festgelegt hat, was gute Führung ist, kann sie auch messen oder es zumindest versuchen. Deshalb liegt bei jedem Auswahlverfahren ein starkes Augenmerk auf der Sozialkompetenz, welche heutzutage immer mittels eines Assessments in der Tiefe geprüft wird.
Wie erleben Sie als Headhunter das Topmanagement von Versicherungsunternehmen?
Ich habe seit Jahren einen sehr guten Eindruck von der Führung in der Versicherungswirtschaft. Der dem Versicherungsgeschäft zugrunde liegende langfristige Horizont kommt in der Sichtweise und im Handeln des Managements zum Ausdruck. Versicherungsunternehmen haben einen ausgewogenen Bezug zum Umgang mit Risiken und ein gutes Verständnis für die Überprüfung der Zielerreichung. All diese Vorteile können jedoch auch zu einem Mangel an Innovationen führen. Stabilität kommt vor Risikobereitschaft.
Wie werden sich die Anforderungen an Führungskräfte in den nächsten 10 Jahren verändern?
Die Zukunft der Unternehmen wird komplexer, vernetzter, globaler und schneller. Die Arbeitnehmer der Zukunft sind selbstbewusster, freiheitsliebender, sinnsuchender und viel wählerischer in Bezug auf die Frage, wann, wie und wo sie arbeiten wollen. Diese beiden divergierenden Entwicklungen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, wird eine ganz zentrale Herausforderung sein für den Manager der Zukunft. Grundvoraussetzungen werden das Beherrschen des Change Managements, der optimale Einsatz neuer technischer Hilfsmittel sowie die Fähigkeit sein, sich in diesem «Dschungel» selbst positiv zu steuern, wenn ganz unterschiedliche Werteverständnisse aufeinandertreffen. Es wird zukünftig mehr der Führungscoach gefragt sein als der klassische Chef. Die Mitarbeiter der Zukunft sind mehr auf sich selber ausgerichtet und stellen sich für eine Aufgabe zur Verfügung, wenn sie auch deren Sinn für sich selber sehen. Traditionelle Anreizsysteme werden die selbstbewussten Mitarbeiter der Zukunft nicht mehr abholen.
Ist eingeschränkte Leistungsbereitschaft der Grund dafür, dass wir in der Schweiz den grössten Anteil an Ausländern in Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen haben? Sind Schweizer weniger leistungsbereit?
Grundsätzlich kann gesagt werden, dass in einem gesättigten Markt, in dem Wohlstand und Sicherheit vorherrscht, überdurchschnittliche Leistungsbereitschaft nicht in gleichem Mass wie in einem Wachstumsmarkt vorhanden ist. Doch das ist nicht der primäre Grund für die hohe Ausländerquote im Topmanagement. Die Schweiz hat viele global erfolgreiche Unternehmen. Weil diesen hierzulande jedoch nur ein kleiner Teich zur Verfügung steht, in dem sie nach Talenten fischen können, müssen sie sich häufig mit Kompetenz aus Ländern verstärken, in denen ihre Konkurrenten tätig sind. Als Beispiel die «Swiss»: Muss die Airline Führungskräfte rekrutieren, kann sie das entweder intern tun oder bei anderen Airlines. Doch andere Airlines gibt es nur im Ausland. Zudem spricht nichts dagegen, dass Firmen, die nur 5 % ihrer Wertschöpfung in der Schweiz generieren, sich mit Mitarbeitenden aus jenen Ländern verstärken, in denen sie den Grossteil ihres Geschäftes machen.
Bleibt Swissness ein Erfolgsfaktor?
In einer sich immer schneller drehenden Welt werden Stabilität, Vertrauen und Zuverlässigkeit noch wichtiger werden. Schweizer Unternehmen und die Schweiz als Ganzes stehen für diese Werte, die tief verankert sind. Deshalb müssen wir noch mehr als heute auf diese Stärken bauen und darauf vertrauen — anstatt ins Ausland zu schielen.
Wird die Pensionskasse beim Anwerben von Mitarbeitenden in Zukunft zu einem entscheidenden Faktor?
Die Pensionskasse ist ein Hygienefaktor. Um als Arbeitgeber attraktiv zu sein, müssen die Hygienefaktoren — dazu zähle ich u. a. die sozialen Nebenleistungen, eine günstige Lage oder die angenehme Arbeitsplatzatmosphäre — stimmen. Doch sie tragen wenig zur Differenzierung bei: Mit den Hygienefaktoren kann ein Arbeitgeber wenig Bonus holen, aber wenn sie nicht stimmen, einen grossen Malus einfahren.