Autonome Sammelstiftungen und Vollversicherer sind zwei Varianten in der beruflichen Vorsorge. Sammelstiftungen unterstehen der kantonalen Aufsicht, die Vollversicherer der FINMA. Wurden da aufgrund unterschiedlicher regulatorischer Bestimmungen bezüglich Solvenzkapital, Anlagen oder Teilliquidation nicht unterschiedlich lange Spiesse geschaffen?
Mit der Strukturreform wurde versucht, die zuvor unterschiedlich langen Spiesse anzugleichen. Bei den vollversicherten Pensionskassen wird die Vergleichbarkeit erschwert, weil diese eigentlich gar kein Vermögen besitzen. Dieses wurde ja in die dahinterstehende Versicherungsgesellschaft transferiert. Die Versicherungsgesellschaft untersteht dem Regulatorium der FINMA, während die autonome oder teilautonome Sammelstiftung eigenständiger Vermögensträger ist und die Anlagen selber bestimmt. Im Gegensatz zur Vollversicherung können die Stiftungen auch in eine Unterdeckung verfallen. Das erklärt auch die unterschiedliche Wirkung einer Teilliquidation.
Im Prinzip gelten die gleichen Regelungen, aber weil eine Vollversicherung nie in Unterdeckung geraten kann, ist die Teilliquidation auch nie ein Problem. Gerät hingegen eine Sammelstiftung in Unterdeckung, kann die Teilliquidation zu einem Problem werden und unter Umständen kommt es zu Kürzungen bei den Freizügigkeitsleistungen.
Es wird gemeinhin angenommen, dass kleine Vorsorgewerke zu wenig risikofähig sind. Teilen Sie diese Meinung?
Vorsorgewerke sind einer Sammelstiftung angeschlossen. Auch hier gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder haben Sammelstiftungen ihr Anlagerisiko via Vollversicherung versichert oder die Vorsorgewerke von Sammelstiftungen tragen ihr Anlagerisiko selber. Tendenziell ist es so: Je kleiner das Vorsorgewerk, desto grösser sein Interesse, einer Sammelstiftung mit Vollversicherung anzugehören. Ist ein Vorsorgewerk risikofähiger, ist eine Lösung interessanter, die es erlaubt, die Anlagestrategie ganz oder teilweise selber zu bestimmen.
Dann macht aus Ihrer Sicht eine Bündelung der Pensionskassen keinen Sinn?
Generell lässt sich nicht sagen, dass kleine Pensionskassen zusammengeführt werden müssen. Auch hinter kleinen Kassen stehen Betriebe, die eine eigene Pensionskasse wollen. Die Konzentration bei den Pensionskassen beweist jedoch, dass es ein Bedürfnis gibt, sich grösseren Kassen anzuschliessen. Sie ist jedoch auch Folge der Konzentration in der Wirtschaft. Es ist eine Stärke unseres Systems, dass jeder Betrieb entscheiden kann, welche Pensionskasse er will. Die Pensionskasse muss vom Risikoprofil her zum Betrieb passen, dabei ist nicht entscheidend, ob es eine grosse oder kleine Kasse ist.
Vollversicherungslösungen wird vorgeworfen, nicht genügend transparent zu sein. Trifft es Ihrer Meinung nach zu, dass die finanziellen Sicherheiten bei Vollversicherungslösungen durch überhöhte Risikoprämien «eingekauft» werden und dies somit vorweggenommene Sanierungsbeiträge sind?
Im Rahmen der Reform der Altersvorsorge prüfen wir, ob es zu hohe Risikoprämien gibt. Der Offenlegungsbericht der FINMA zeigt auf, dass die eingenommenen Risikoprämien etwa doppelt so hoch sind wie die ausbezahlten Risikoleistungen. Da müssen wir ein Fragezeichen setzen. Der Verdacht ist naheliegend, dass aus den Risikoprämien der Umwandlungssatz finanziert wird. Ob allerdings nur die Vollversicherungen von diesem Problem betroffen sind oder auch autonome Pensionskassen auf ähnliche Mittel zurückgreifen, ist eine ganz andere Frage. Heute können sie einen zu hohen Umwandlungssatz nicht via Prämien finanzieren, weil das nur funktionieren würde, wenn es keine Austritte aus einer Kasse gäbe und entsprechend keine Freizügigkeitszahlungen fällig würden. Die Risikoprämien indessen bleiben in der Pensionskasse. Deshalb habe ich den Eindruck, dass auch einige autonome Pensionskassen Risikoprämien einsetzen, um den Umwandlungssatz zu finanzieren.
Heute ist oft von Überregulierung die Rede, auch im Vorsorgebereich. Eine grosse Regulierungsdichte führt zu höheren Kosten. Müsste das BSV im Interesse der Versicherten nicht bestrebt sein, die Regulierung so schlank wie irgend möglich zu halten?
Da haben Sie absolut Recht. Eine Reduktion der Regulierung setzt allerdings voraus, dass alle bei den Pensionskassen aktiven Akteure ausschliesslich im Interesse der Versicherten handeln. Wenn wir eine Regulierung vorschlagen oder das Parlament eine solche beschliesst, geht es ja nicht darum, die Pensionskassen zu gängeln. Praktisch alle Bestimmungen, die im Rahmen der Strukturreform ins BVG aufgenommen wurden, gehen auf einen Missstand bei einzelnen Pensionskassen zurück oder dienen dem Schutz der Versicherten. Nur wenn sich sämtliche Akteure im Pensionskassenbereich an die Interessen der Versicherten halten, lässt sich die Regulierung zurückfahren.
Die Anforderungen an PK-Stiftungsräte steigen unaufhörlich: Ist das Milizsystem in der Berufsvorsorge am Ende?
Das Milizsystem ist eine Stärke der Pensionskassen. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass es bestehen bleibt. Schliesslich sind es die Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, die in eine Pensionskasse fliessen, und es ist wichtig, dass die beiden Kapitalgeber zusammen entscheiden, was mit dem Geld geschieht. Von daher messe ich dem Milizsystem einen sehr hohen Wert zu. Auf der anderen Seite liegen rund 620 Milliarden Franken im Topf der Pensionskassen. Diese Milliarden müssen mit einem gewissen Mass an Fachwissen verwaltet werden. Deshalb muss den Stiftungsräten eine fortlaufende Aus- und Weiterbildung vorgeschrieben werden.
Sie haben zu Beginn unseres Gesprächs das aktuelle Niveau der beruflichen Vorsorge in der Schweiz beurteilt. Was werden uns die nächsten BVG-Revisionen diesbezüglich bringen?
Der Bundesrat legt eine umfassende Reform der Altersvorsorge vor, mit welcher die Leistungen in der AHV und im BVG gesichert werden sollen. Er hat Eckwerte bestimmt, auf deren Grundlage wir nun den Gesetzesvorschlag erarbeiten. Wir revidieren das BVG, nicht grosszügige überobligatorische Regelungen. Das heisst, wir sprechen bei diesen Reformen von der Mindestvorsorge – und in der Mindestvorsorge hat es nach unten keinen Spielraum. Mit den von uns vorgeschlagenen Korrekturmassnahmen werden wir das Leistungsniveau im BVG halten können.