elipsLife - Rentenbezüger Interview mit Barbara Artmann
echo-interview, Juni 2015

Produktion in der Schweiz gehört zur DNA der Firma

ELIPSLIFE ECHO - EINE GESPRÄCHSSERIE MIT PERSÖNLICHKEITEN AUS DER WIRTSCHAFT

Produktion in der Schweiz gehört zur DNA der Firma

echo-Interview mit Barbara Artmann, Inhaberin und Geschäftsführerin der Künzli SwissSchuh AG

elipsLife echo: Künzli ist für Orthopädieschuhe bekannt. Seit ein paar Jahren haben Sie auch Lifestyle-Schuhe im Sortiment. Wie schaffen Sie den Spagat, so unterschiedliche Zielkunden anzusprechen?

Barbara Artmann: Der Ursprung aller Künzli-Schuhe ist der Sportschuh. Auch die hohen Schuhe sind aus dem Sport entstanden, wo sie, zum Beispiel im Handball, Schutz gegen das Umknicken boten. Die weitere Entwicklung der Stabilschuhe verlief von der Prophylaxe zur Rehabilitation in der Medizin. Heute sind die Künzli Ortho® Schuhe anerkannte medizinische Hilfsmittel. Sneakers wiederum sind weiter entwickelte Sportschuhe – Turnschuh sagt man noch heute. Somit haben die Modelinie Künzli Classic und die Medizinlinien Künzli Ortho® und Künzli Protect den gleichen Ursprung, nämlich den Sportschuh. Natürlich sind völlig unterschiedliche Vermarktungsstrategien gefordert. Während sich die Sneakers über die Mode verkaufen, vermarkten wir die Orthopädieschuhe über die medizinischen Kanäle.

Woher nimmt Ihre Firma das Know-how, um hochwertige Orthopädieschuhe herzustellen?

Das Schuh-Know-how haben wir „historisch“ im Haus. Weil es in der Schweiz seit zehn Jahren keine Ausbildung im Schuhbereich mehr gibt, sind wir gezwungen, das Know-how selber zu erhalten, zu erweitern und weiterzugeben. Mit Erfolg, denn bezüglich Schuh verfügen wir über ein wirklich sehr grosses Wissen und Können. Auf der medizinischen Seite haben wir einerseits bewegungswissenschaftliches Fachwissen im Haus. So ist die Leiterin der Category Ortho studierte Bewegungswissenschaftlerin. Gleichzeitig pflegen wir intensive Entwicklungskooperationen mit Ärzten. Dabei haben wir das Glück, dass sich nicht nur die besten Orthopädie-Ärzte in der Schweiz befinden, sondern dass wir mit vielen auch einen engen Austausch haben.

Welche Rolle spielt Swissness für Ihr Unternehmen?

Swissness ist für uns von zentraler Bedeutung. Von allem Anfang interessierte mich die Frage: Alle produzieren Schuhe in Asien – geht es auch anders? Seit elf Jahren klappt es bei uns. Produktion am eigenen Standort in der Schweiz gehört zur DNA von Künzli, ist gleichsam ihr Herzblut. Wir alle sind stolz darauf, dass wir es anders machen als die anderen. Wir haben uns in Nischen positioniert. In Massenmärkten können wir nicht agieren, weil dort der Preis regiert. Mit unseren Sneakers sind wir in einer kleinen Luxusnische aktiv und mit den Medizin- und Spezialschuhen in einem Bereich, den kaum ein Mitbewerber so beherrscht wie wir. Für die Grossen ist unser Markt zu klein, für uns ist er gerade richtig. Übrigens spreche ich eigentlich weniger gern von Swissness – das kann ja auch ein T-Shirt made in Asia mit einem Schweizerkreuz drauf sein. Mir ist die Formulierung „Made in Switzerland“ lieber.

echo-Interview mit Barbara Artmann

Stellt Künzli alle Schuhe in der Schweiz her?

Ja. Wir mussten für das Amt für geistiges Eigentum nachweisen, wie hoch unsere Produktionswertschöpfung in der Schweiz ist. Wir kamen auf gut 80%. Nur der Nähprozess ist nach Osteuropa ausgelagert, alles andere machen wir in der Schweiz. Dazu gehört auch die gesamte Entwicklungsarbeit. Und das wollen wir genau so beibehalten.

Welches sind die wichtigsten Absatzmärkte?

Wir waren schon internationaler ausgerichtet als heute. Lassen Sie mich dies kurz erklären: Künzli war in einen längeren Markenstreit verwickelt. Der Kampf um die fünf Streifen, die seit den 1950er Jahren das Erkennungszeichen aller Künzli-Schuhe waren, begann 2004, als wir unsere Sneakers-Linie auf Basis der historischen Sportschuhe lancierten. Der ehemalige Künzli-Importeur und jetzige US-Konzern K-Swiss machte uns die Markenrechte streitig. Weil K-Swiss 1990 das Markenzeichen international und damit auch in Deutschland angemeldet hatte, Künzli es aber unterlassen hatte, in seinem wichtigsten Exportland die Markenrechte einzutragen, verloren wir 2012 in Deutschland den Fall endgültig. Da es keine Chance mehr gab, international unser altes Markenzeichen verteidigen zu können, mussten wir ein neues finden. Wir wechselten zu den fünf „Klötzli“ und schafften uns so eine Basis für die Zukunft.

Seit 2012 bauen wir den ganzen Modebereich neu auf, auch im Export mussten wir wieder von vorn beginnen. Noch sind wir nicht da, wo wir vorher waren, aber wir sind auf gutem Weg. Und wir wollen den Export weiter fördern. Jüngst haben wir einen Vertrag mit einer in Hongkong basierten Verkaufs- und Vermarktungsagentur für ‚Greater China‘ abschliessen können. Ein wichtiger Schritt für uns – der übrigens erst mit dem neuen, sehr eigenständigen Markenzeichen der fünf Klötzli möglich wurde. Bei allen Exportplänen gilt es aber festzuhalten: Die Schweiz ist unser Heimmarkt und bleibt ganz, ganz wichtig für uns.

Wie kann sich ein kleiner Schweizer Schuhhersteller gegen internationale Grosskonzerne behaupten?

Indem er Nischen besetzt. Das ist ja eine ganz typisch schweizerische Spezialität. Wir machen nicht das, was alle anderen auch machen. Aber wir machen das, was wir machen, besser als die anderen. Und zwar viel besser.

Dann müsste die Künzli SwissSchuh AG ja eine interessante Übernahmekandidatin sein.

Ja, offenbar ist das so, denn es gibt immer wieder Interessenten. Die letzte Anfrage hatte ich diesen Frühling. Das ist schön, beruhigt uns, mehr aber nicht. Wir - die Künzlis - wollen Künzli selber gemeinsam voranbringen!

echo-Interview mit Frau Artmann Künzli SwissSchuh AG

Künzli begann als Hersteller von Sportschuhen. Gibt es Pläne, wieder in die Fabrikation von Sportschuhen einzusteigen?

Nein, auch wenn wir uns durchaus gute Ideen im Sportbereich zutrauen. Sobald aber ein Mitbewerber eine Idee sehen würde, nimmt er 20 Millionen in die Hand, startet eine grosse Werbekampagne – und für uns ist fertig. Das müssen wir gar nicht erst versuchen. Im Massenmarkt mitzuspielen, macht für uns keinen Sinn.

Die einzigen Wettkampfschuhe, die wir noch herstellen, sind die Schwingerschuhe. Wir sind stolz darauf, dass sich viele Schwinger im Sägemehl mit stabilen Künzli-Schuhen Standfestigkeit sichern. Jeder Schwinger, der etwas auf sich hält, trägt Künzli-Schuhe.

Welche Ingredienzen gehören aus Ihrer Sicht zum erfolgreichen Unternehmertum?

Ich sehe drei Punkte: das Angebot, die Unternehmenskultur und die Beharrlichkeit. An erster Stelle steht immer das Angebot, das Produkt. Unternehmen müssen Lösungen bieten. Am besten solche, die Probleme lösen, von denen Kunden noch nicht mal wissen, dass sie existieren. Wichtig scheinen mir auch die Unternehmenskultur und der Teamgedanke. Bei uns kommen alle gerne zur Arbeit, da hören Sie Menschen pfeifen, die Mitarbeitenden fühlen sich wohl. Und wenn sich Leute wohl fühlen, arbeiten sie besser und effizienter. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich am Morgen zur Arbeit komme und die gute Stimmung erlebe. Steht in einem Unternehmen der Mensch im Mittelpunkt, entstehen automatisch gute Schuhe. Die dritte Ingredienz für erfolgreiches Unternehmertum ist eine gewisse Beharrlichkeit. Gerade in schwierigen Zeiten. Zur Beharrlichkeit gehören Attribute wie Wille, Berufung, Konsistenz – und vielleicht sogar etwas vom Dickschädel, den ich von meinem Appenzeller Ururgrossvater habe.

Die Künzli SwissSchuh AG beschäftigt rund 25 Mitarbeitende. Spielt das Thema Vorsorge bei Neuanstellungen eine Rolle?

Eher selten, weil wir ein relativ junges Team haben und Vorsorge oft ja erst mit dem Alter zum Thema wird. Mir selber ist Vorsorge allerdings sehr wichtig, ich komme ja aus dem Finanzbereich. Als ich Künzli übernommen habe, wechselten wir die Pensionskasse. Ich habe darauf geachtet, dass die neue PK durch eine gute Anlagestrategie überzeugt. Unsere Pensionskasse geriet auch während der letzten Finanzkrise nie in Unterdeckung. Ausserdem bieten wir Leistungen im Kleinen, welche den Mitarbeitenden oft gar nicht bewusst sind. Zum Beispiel, dass wir Teilzeitangestellte in jedem Fall und nicht erst ab der Pflichtgrenze versichern.

Die Schweiz hat ein gut entwickeltes Altersvorsorgesystem, das mit den drei Säulen die staatliche und private Vorsorge kombiniert. Wird sich dieses 3-Säulen-System auch in Zukunft behaupten?

Ja, sicher! Das ist einer der grossen, globalen Wettbewerbsvorteile, die dieses Land hat. Es gibt genügend Leute, die verstehen, wie grossartig dieses System ist.

Um die AVG-Revision 2020 zu verstehen, muss man sich damit auseinandersetzen, es braucht Kommunikation. Ist das in Ihrem Unternehmen ein Thema?

Nein. Wenn sie dann bestimmt ist und kommt, wird sie zum Thema.

elipsLife Interview mit Sportschuhhersteller

Sollen aus Ihrer Sicht die Rentenbezüger an der Sanierung des Vorsorgesystems beteiligt werden – oder sind einmal erworbene Rentenansprüche tabu?

Obwohl ich mich als Gast in diesem Land zu politischen Themen kaum äussere, habe ich als Firmeninhaberin hierzu eine klare Meinung: Wegnehmen ist kaum der richtige Weg. Das Land wird auch ohne diesen Schritt die Sanierung schaffen. Klar braucht es dazu noch etwas Gehirnschmalz, Umstellungen und Bewusstseinsbildung. Das grösste Problem ist meines Erachtens die Verschiebung der Alterspyramide. Die Änderung des Verhältnisses Rentner-Erwerbstätige von 1 zu 6 auf 1 zu 2 ist brutal. Dabei geht es ja nicht nur um die Sanierung der Versicherungen, sondern auch darum, wie die Arbeit zu verteilen ist, auf mehr Frauen, mehr Teilzeitangestellte, mehr ältere Menschen.

Die PKs stecken in stürmischen Zeiten, vor allem wegen der Überalterung und den tiefen Zinsen. Werden sie – und damit wir alle – Opfer von nicht finanzierbaren Leistungsversprechen?

Das glaube ich nicht. Dies könnte eher im umliegenden Ausland passieren. Es gilt, zwei verschiedene Aspekte zu beachten: Zum einen die tiefen Zinsen auf dem Cash-Anteil, zum anderen die wieder gut funktionierenden Finanzmärkte. Klar, der niedrige Zins ist ein Problem, aber bei den Investments in Aktien haben die Pensionskassen in den vergangenen Jahren gut verdient. Zurzeit beklagen sie sich ja auch nicht, in Unterdeckung zu sein. Aus meiner Sicht sind nicht Zinssatz und Anlagepolitik das Problem, sondern wie erwähnt die Alterspyramide.

Ein Leistungsabbau scheint unausweichlich, die anstehende BVG-Revision zielt auch in diese Richtung. Wie stehen Sie zur geplanten Erhöhung des Rentenalters für Frauen auf 65?

Das ist sinnvoll. Es ist eine Frage der Fairness und oft auch des Willens. Während die Menschen früher 70 wurden und mit 65 in Rente gingen, werden sie heute 86, gehen aber immer noch mit 65 in Rente. Das ist erstens eine Ungleichgewichtung und zweitens gibt es durchaus Leute, die länger arbeiten können und wollen. Heute kann und will der Arbeitsmarkt mit den Älteren zu wenig anfangen. Dies ist sowohl eine Einzelverantwortlichkeit für alle Unternehmen, meines eingeschlossen, wie auch eine politische Verantwortlichkeit. In Zukunft gibt es vielleicht nicht mehr nur den einen Job, den man mit 65 an den Nagel hängt, sondern vielleicht gibt es Wechsel oder Leute übernehmen andere Rollen. Denken wir nur an die Rentnerplattform im Internet. Wir nutzen sie gerne für alles Mögliche. Dies ist sicher nur ein kleiner Beitrag, aber wenn die Lebenserwartung viel länger wird, wird auch die Lebensarbeitszeit länger werden müssen. Auch für Frauen.

Zur Person
Barbara Artmann
Inhaberin und Geschäftsführerin der Künzli SwissSchuh AG

Barbara Artmann, 1961, ist seit 2004 Inhaberin und Geschäftsführerin der Traditionsfirma Künzli SwissSchuh AG in Windisch. Das 1927 gegründete Unternehmen, das mit Sportschuhen bekannt wurde, fokussiert heute auf Orthopädieschuhe im medizinischen Bereich sowie auf modische Sneakers im Lifestyle-Bereich. Von 1999 bis 2003 leitete Artmann den Bereich strategische Projekte im Asset Management bei der UBS. Von 1996 bis 1998 war sie Projektleiterin Finanzprodukte Schweiz bei der Zürich Versicherung und baute dort die Zürich Invest auf. In den Jahren davor war sie Senior Consultant bei McKinsey (1993 bis 1995), Marketingleiterin von Lieken Urkorn (1990 bis 1993) und Brand Managerin bei Procter & Gamble (1986 bis 1990). Artmann ist deutsche Staatsangehörige, studierte Psychologie mit Nebenfach Betriebswirtschaftslehre in Mannheim und lebt seit 1996 in der Schweiz. Seit 2014 ist sie zudem Mitglied des Verwaltungsrats der Valiant Bank.

echo-interview mit Barbara Artmann

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