echo-Interview mit Andrea Davaz April 2015
ECHO-INTERVIEW, APRIL 2015

Innovationen sind die Treiber des Erfolgs

ELIPSLIFE ECHO - EINE GESPRÄCHSSERIE MIT PERSÖNLICHKEITEN AUS DER WIRTSCHAFT

Innovationen sind die Treiber des Erfolgs

echo-Interview mit Andrea Davaz, Besitzer und Leiter des Weingutes Davaz in Fläsch, Graubünden

elipsLife echo: Herr Davaz, Sie gehören zu den renommierten Winzern im Land, Ihre Weine gewinnen am Grand Prix du Vin Suisse immer wieder Medaillen. Was braucht es, um als Bündner Winzer erfolgreich zu sein?

Andrea Davaz: Verschiedene Faktoren spielen eine Rolle. Auf der persönlichen Ebene braucht es sicher eine gute Ausbildung, viel Erfahrung und vor allem Leidenschaft. Auf der Naturseite – oder sagen wir auf der technischen Seite – sind Terroir und Klima entscheidend. Die Bündner Herrschaft ist eine bevorzugte Region, weil sie die wärmste Zone in der Deutschschweiz ist. Die Bedingungen für den Weinbau sind ideal. Und das seit vielen hundert Jahren, wird doch in Malans nachweislich seit mehr als 1000 Jahren Weinbau betrieben. Es ist die Kombination von Mensch und Natur, die den Erfolg ausmacht. Was nicht sein darf, sind Gier und die Suche nach kurzfristigem Erfolg. Langfristiges Denken ist gefragt.

Weltweit wird nach wie vor viel zu viel Wein produziert, trotzdem waren in der Vergangenheit viele Weine aus der Herrschaft jeweils rasch ausverkauft. Ist das noch immer so?

Ja, glücklicherweise. Aber man muss sich die Grössenverhältnisse vor Augen halten: Die Bündner Herrschaft hat eine Weinanbaufläche von 440 Hektaren. Im Wallis sind es 5‘500 Hektaren, die gesamte Weinanbaufläche der Schweiz beträgt rund 15‘000 Hektaren. Im internationalen Vergleich nehmen sich allerdings auch diese Zahlen bescheiden aus. Die grossen Weinbauländer Frankreich, Spanien oder Italien haben alle je eine Anbaufläche von über einer Million Hektaren. Wir haben hier eine Nische innerhalb einer regionalen Produktion. Dafür agieren wir in einem äusserst konsumfreundlichen Land: Die Schweiz verzeichnet einen sehr hohen Pro-Kopf-Weinkonsum und produziert nur einen Drittel vom Wein, der in der Schweiz getrunken wird, selbst. Von dieser Eigenproduktion deckt die Bündner Herrschaft nur drei Prozent ab, vom gesamten Weinkonsum in der Schweiz gerade mal ein Prozent. Nur jede hundertste Flasche Wein, die in der Schweiz getrunken wird, ist somit eine Flasche aus Graubünden.

echo-Interview mit Andrea Davaz

Gehen Davaz-Weine auch ins Ausland?

Ja, aber nur punktuell. Wobei ich erwähnen muss, dass wir mit unserem Weingut in Fläsch bewusst keine Exportstrategie verfolgen. Wir besitzen noch ein Weingut in der Toskana. Dort gehen über 90 Prozent der Weine in den Export. Ich kenne also das Exportgeschäft. Ehrlicherweise muss ich aber sagen: Solange für uns der Markt in der Schweiz spielt und die Nachfrage grösser ist als das Angebot, mühen wir uns nicht mit dem Export ab.

Hat die Rebfläche in der Bündner Herrschaft in den letzten Jahren zu- oder abgenommen?

Die Anbaufläche hat seit der Jahrtausendwende um etwa 50 Hektaren zugenommen. Mitte der 80er Jahre erfolgte in unserer Region der Wechsel weg von der auf Quantität ausgerichteten Produktion hin zur Qualität. Das hatte eine drastische Ertragsreduktion zur Folge. Erzielt man jedoch kleine Erträge, muss die Anbaufläche erweitert werden, um die Wirtschaftlichkeit der Betriebe zu sichern. Für diese Erweiterung benötigten wir eine gewisse Vorlaufzeit. In den 90er Jahren wurde der Ausbau aufgegleist und die ersten Erträge aus den neuen Anlagen konnten 2001 erzielt werden. Dies war für uns sehr wichtig.

Auch in der Bündner Herrschaft prägen ein, zwei Kult-Winzer das Image. Profitieren die anderen von diesen Aushängeschildern?

Ja, absolut. Solche Figuren sind enorm wichtig. Zu diesen Kult-Winzern, wie Sie sie nennen, kommen aus meiner Sicht 10 bis 15 weitere Spitzenwinzer hinzu. Diese verschaffen der Region das gute Image, von dem alle profitieren. Solche Winzer sind wie Lokomotiven, die den ganzen Zug ziehen. Das gilt übrigens weltweit für sehr viele Weinanbaugebiete. Die Spitzenproduzenten spielen überall eine wichtige Rolle.

Wie viele Winzer gibt es denn in der Herrschaft?

Wir sind total 60 Winzer. Dazu gehören teilweise auch sehr kleine Betriebe. 60 Winzer auf 440 Hektaren ergeben eine unheimliche Dichte, wie es sie wohl weltweit nirgends sonst gibt. Unser Unternehmen ist mit 13 Hektaren der grösste Weinbauproduktionsbetrieb in der Bündner Herrschaft. Doch muss man, wie erwähnt, immer die Relationen sehen: Vor einem Jahr war ich in Nappa Valley in Kalifornien. Die Weinbauern dort hatten für mich nur ein mitleidiges Lächeln übrig und ich hörte oft die Frage: "Wie kannst Du bloss mit einem solch kleinen Betrieb überleben?“.

echo-Interview mit Andrea Davaz-Weine im Ausland

Schweizer Wein geniesst nach wie vor einen gewissen Zoll-Schutz. Sind Importzölle aus Ihrer Sicht überlebenswichtig oder eher schädlicher Heimatschutz?

Bis Anfang der 90er Jahre durfte nur eine ganz bestimmte Menge Wein importiert werden. Seit gut 20 Jahren ist diese Kontingentierung jedoch aufgehoben. Heute betragen die Zollkosten rund 60 Rappen pro Weinflasche, sind also unbedeutend. Die Aufhebung der Weinkontingentierung hat meiner Meinung nach zu einer sehr positiven Entwicklung in der Schweizer Weinbauszene geführt. Die Schweizer Winzer mussten sich dem rauen Wettbewerb stellen und sich enorm anstrengen, um bestehen zu können. Heute gibt es viele sehr gute Winzer – nicht nur in der Bündner Herrschaft, sondern auch im Wallis, im Waadtland oder in der Ostschweiz. Meine Erkenntnis aus dieser Entwicklung: Solange etwas zu stark geschützt wird, gibt es keine Innovation.

Was ist denn heute die Herausforderung für Winzer in der Schweiz?

Um erfolgreich zu sein, muss ein Winzerbetrieb heute vier Kompetenzen zusammenbringen: Als Winzer muss der Weinbauer im Rebbau und in der Produktion ein sehr hohes Fachwissen haben. Als Önologe muss er auf einem Top-Niveau stehen, weil im Weinkeller in vielen Details die Entwicklung unglaublich abgeht. Zudem stellen sich im Bereich Verwaltung und Vermarktung neue Herausforderungen, Online-Handel und Marketing sind hier die Stichwörter. Will ein Weinbauer schliesslich auch im Privatverkauf tätig sein, muss er ein gewinnender Verkäufer sein. Diese vier Kompetenzen in einem Kleinbetrieb oder in vielen Fällen gar in einer Person zu vereinen, ist aus meiner Sicht eine echte Herausforderung. Für viele Betriebe oftmals eine zu grosse.

Was sind aus Ihrer Sicht die Ingredienzen für unternehmerischen Erfolg?

Bezogen auf den Weinbau ist die Weinqualität entscheidend. Sie ist die Grundvoraussetzung für Erfolg. Unabhängig von der Branche ist sicher das Fachwissen der wichtigste Faktor. Und somit die Fähigkeit, das richtige Personal mit dem notwendigen Wissen im Betrieb zu haben. Dazu kommt das Entdecken erfolgversprechender Nischen. Wenn ich sehe, welch riesige Marktmacht im Weingeschäft bei den grossen Detailhändlern liegt – sie decken rund 85% des Geschäfts ab –, ist es entscheidend, die richtigen Nischen zu finden und innovativ zu bleiben. Treiber des Erfolgs sind letztendlich nicht die Investitionen, sondern die Innovationen. Unser Wettbewerbsvorteil gegenüber den grossen Händlern ist die Nähe zum Kunden. Deshalb ist ein konsequentes Herausschälen und Umsetzen dieses Vorteils für uns entscheidend. Es braucht Ideen, mit denen wir das Interesse des Marktes wecken können.

Die Weinunternehmung Davaz beschäftigt rund 50 Mitarbeitende. Spielt das Thema Vorsorge bei Neuanstellungen eine Rolle?

Ja, insbesondere bei den Kadermitarbeitenden. Oft stossen diese Leute von grösseren, mit teilweise hervorragenden Vorsorgeleistungen ausgestatteten Betrieben zu uns. Einen Leistungsabbau nimmt aber niemand gerne in Kauf. Wir haben erst letztes Jahr unsere Vorsorgeleistungen ausgebaut, damit wir als Arbeitgeber attraktiv bleiben. Die Pensionskasse ist ein Attraktivitätspunkt bei der Anstellung guter Leute und wichtig für die Mitarbeiterbindung. Ferner sind Pensionskassen für die Steueroptimierung wichtig. In guten Jahren zahlen wir viel ein, wenn es nicht so gut läuft, beschränken wir uns auf das Obligatorium.

echo-Interview mit Andrea Davaz und Schweizer Wein

Die Schweiz hat ein gut entwickeltes Altersvorsorgesystem, das mit den drei Säulen die staatliche und private Vorsorge kombiniert. Wird sich dieses 3-Säulen-System auch in Zukunft bewähren?

Ich denke ja. Allerdings müssen wir rasch Reformen einleiten. Unser System ist weltweit eines der besten. Aber wir sehen uns heute wegen der demografischen Entwicklung, den erschwerten ökonomischen Rahmenbedingungen und den politischen Vorgaben riesigen Problemen gegenüber. Angesichts der absehbaren Finanzierungslöcher ist rasches Handeln nötig. Ich staune immer wieder, wie lange Politik und Parlament lavieren, bis die Probleme angepackt werden. Ich finde dies unverantwortlich, denn je länger zugewartet wird, desto härter wird die Landung ausfallen. In einer ersten Phase befürworte ich eine Erhöhung des Rentenalters auf 67 für Männer und auf 65 für Frauen. Die gestiegene Lebenserwartung rechtfertigt diesen Schritt. Zudem braucht es ein flexibles System bei der Festlegung des Mindestzinssatzes, weil sich mit Negativzinsen beim besten Willen keine genügende Rendite erwirtschaften lässt. Erst wenn diese Massnahmen vollzogen sind, kann über Leistungsanpassungen oder die Erhöhung der Beitragszahlungen diskutiert werden.

Um die AVG-Revision 2020 zu verstehen, muss man sich damit auseinandersetzen, es braucht Kommunikation. Ist das in Ihrem Unternehmen ein Thema?

Nein, innerbetrieblich ist die AVG-Revision 2020 noch kein Thema. Wir werden das mit unseren Mitarbeitenden anschauen, wenn es konkret ist. Im Moment läuft ja immer noch die Vernehmlassung. Sobald Klarheit besteht, welche Anpassungen in Kraft treten, werden wir unseren Berater für eine entsprechende Personalorientierung aufbieten.

Im Rahmen der AVG 2020 wird der Kapitalbezug aus dem Altersguthaben für Wohneigentum oder für den Schritt in die Selbstständigkeit eingeschränkt. Entzieht der Staat mit diesem Eingriff den Versicherten das Vertrauen oder sehen Sie darin eine notwendige Regulierung?

Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass mit dieser Regelung den Bürgern Vertrauen entzogen wird. Anderseits kann es nicht sein, dass Leute ihr Geld ausgeben, um dann im Netz der Sozialhilfe zu landen. Für eine definitive Beurteilung der Frage müsste man allerdings wissen, wie oft es solche Fälle tatsächlich gibt. Die Selbstverantwortung der Bürger muss jedoch hoch gehalten werden. Ich begegne jeglicher Bevormundung der Bürger mit grosser Skepsis.

elipsLife Altersversorgesystem Interview mit Andrea Davaz

Sollen aus Ihrer Sicht die Rentenbezüger an der Sanierung des Vorsorgesystems beteiligt werden – oder sind einmal erworbene Rentenansprüche tabu?

Das Rentenkapital ist von den Rentnern einbezahlt worden, also ist es ihr Geld. Die Diskussion dreht sich vielmehr darum, wie hoch der Umwandlungssatz sein soll und wie viel ein Rentenbezüger schliesslich ausbezahlt bekommt. Renten sollten grundsätzlich nicht angetastet werden. Es kann ja nicht sein, dass jemand die Summe X über ein Erwerbsleben hinweg einbezahlt und dann im Extremfall nur einen Teil seines Geldes wieder ausbezahlt erhält. Gleichzeitig ist es mir ein persönliches Anliegen, den Werkplatz Schweiz, der bereits heute unter grossem Druck steht, nicht mit höheren Beitragszahlungen zu schädigen.

Die Pensionskassen stecken in stürmischen Zeiten, vor allem wegen der Überalterung und den tiefen Zinsen. Werden die PKs – und damit wir alle – Opfer von nicht finanzierbaren Leistungsversprechen?

Schiebt man die notwendigen Reformen weiter auf die lange Bank, ist das durchaus denkbar. Dann ist die Gefahr gegeben, dass wir die Leistungen nicht mehr erwarten können, die uns in der Vergangenheit versprochen worden sind. Als Folge davon würde die Bedeutung der 3. Säule, der privaten Altersvorsorge, zunehmen. Der Abbau des Reformstaus muss deshalb umgehend in Angriff genommen werden.

Wenn Sie heute den Pensionskassen in der Schweiz einen Rat geben könnten, wie würde dieser lauten?

Sie müssen sich auf das konzentrieren, was sie selber beeinflussen können. Mit anderen Worten: die internen Kosten im Griff halten und innovativ bleiben. Dies setzt aber auch faire und der heutigen Zeit entsprechende Rahmenbedingungen durch den Gesetzgeber voraus. Die Politik ist also klar gefordert. Die demographische Entwicklung sowie das wirtschaftliche Umfeld können Pensionskassen nicht verändern. Deshalb müssen sie gleichsam „an sich selber arbeiten“.

Zur Person
Andrea Davaz
Weinbauer und Unternehmer

Andrea Davaz, 1964, ist in Fläsch auf dem Weingut Davaz aufgewachsen. Nach seiner Ausbildung zum Oenologen übernahm er die Leitung des familieneigenen Weinguts. 1990 kaufte er mit seinem Bruder das Weingut Poggio al Sole in der Toskana. 1994 gründete er die Weinhandlung von Salis und übernahm 2003 50% der Weinhandlung Valentin & von Salis in Pontresina. 2012 kaufte Davaz die 1875 gegründete Veltliner Weinhandlung Zanolari Chur. In seiner Freizeit geniesst er die Zeit mit seiner Familie, trainiert für den nächsten Marathon oder trifft sich mit Freunden auf ein gutes Glas Wein.

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