echo-interview mit Roland Matt
echo-interview, Oktober 2015

Ohne Mindestzins mehr Flexibilität

ELIPSLIFE ECHO - EINE GESPRÄCHSSERIE MIT PERSÖNLICHKEITEN AUS DER WIRTSCHAFT

Ohne Mindestzins mehr Flexibilität

echo-Interview mit Roland Matt, Group CEO Liechtensteinische Landesbank (LLB)

elipsLife echo: Herr Matt, die liechtensteinischen Banken haben es besser als die Schweizer Banken geschafft, aus dem schiefen Licht der Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu kommen. Was hat Liechtenstein in dieser Beziehung besser gemacht als die Schweiz?

Roland Matt: Ich kann nur für Liechtenstein sprechen. Unser Land hat die Transformation des Finanzplatzes sehr konsequent und früher als andere vollzogen. Mit der Regierungserklärung vom 14. November 2013 hat Liechtenstein den am 12. März 2009 mit der Liechtenstein-Erklärung eingeschlagenen Weg der Steuerkonformitätsstrategie bekräftigt. So ist es kein Zufall, dass Liechtenstein zu den 52 Ländern gehört, die 2014 das Abkommen über den automatischen Informationsaustausch unterzeichnet haben. Liechtenstein gehört somit zu den „early adaptors“, jenen Staaten, die den automatischen Informationsaustausch bereits im Jahr 2017 einführen, ein Jahr früher als die Schweiz. Zudem haben wir in Liechtenstein eine gemeinsame Finanzplatzstrategie, hinter der die Banken und der Bankenverband ausdrücklich stehen. Diese Strategie zielt auch auf die Steuerkonformität der Kunden ab.

… und bezüglich des Verhältnisses zu den USA?

Was die USA betrifft, sind die liechtensteinischen Massnahmen jenen der Schweiz sehr ähnlich. Bezüglich FATCA, dem Foreign Account Tax Compliance Act, mit dem die USA sämtliche im Ausland gehaltenen Konten von Personen, die in den USA steuerpflichtig sind, besteuern können, sind die Lösungen der Schweiz und Liechtensteins ebenso vergleichbar wie jene zur Aufarbeitung der Vergangenheit.

Treffen die Aufhebung des CHF/EUR-Mindestkurses durch die SNB und die Einführung der Negativzinsen die LLB in gleichem Mass wie die Schweizer Banken?

Grundsätzlich ja. Der Entscheid der Nationalbank hat generelle Auswirkungen auf das Zinsniveau, das auch unser Ergebnis beeinflusst. Ein Beispiel sind die Bewertungen der Zinssatz-Swaps, also der Instrumente zur Absicherung der Zinssatzrisiken einer Bank, die durch das tiefere Zinsniveau betroffen sind. Oder die Kundenvermögen, bei denen Teile in Fremdwährungen sind. Bei der LLB-Gruppe sind dies doch rund 50% aller Kundenvermögen. Sinken diese Vermögen aufgrund tieferer Wechselkurse, sinkt auch die Ertragsbasis, eben die Kundenvermögen, auf denen die Erträge generiert werden. Es gilt aber auch festzuhalten, dass der SNB-Entscheid weder auf die Eigenmittel noch auf die Liquiditätslage Auswirkungen hat. Ferner ist die LLB im Moment von den Negativzinsen auf den Giro-Guthaben nicht direkt betroffen, weil sie sich innerhalb der von der SNB definierten Freigrenze bewegt.

echo-Interview mit Roland Matt

Liechtenstein ist wie die Schweiz nicht EU-Mitglied, ist aber Mitglied des EWR. Schafft dies für die LLB einen Vorteil gegenüber der Schweizer Konkurrenz?

Liechtenstein gehört zwei Wirtschaftsräumen an, dem schweizerischen und dem europäischen. Als EWR-Mitglied haben wir Zugang zum EU-Binnenmarkt und die liechtensteinischen Banken können vom EU-Pass profitieren. Aus diesen zwei Gründen ist es ein Vorteil, zum EWR zu gehören. Ausserdem entspricht die Rechtslage in Liechtenstein den regulatorischen Anforderungen der EU. Alle regulatorischen Anpassungen verfolgen ein klares Ziel, nämlich die Stärkung der Integrität und Transparenz des Finanzsystems sowie des Anlegerschutzes.

Die Banken haben in den letzten Jahren in der Schweiz viel an Goodwill und an Reputation verloren. Zeigt sich die Situation in Liechtenstein besser?

In Liechtenstein haben die Banken in den vergangenen Jahren sehr viel unternommen, um Goodwill zurückzugewinnen. Seit der Finanzkrise im Jahr 2008 und speziell dem Zusammenbruch von Lehman Brothers stecken die Banken in einer Glaubwürdigkeitskrise. Wir kämpfen darum, Vertrauen zurückzugewinnen. Mit dem eingeschlagenen Weg über mehr Transparenz in der Berichterstattung, einer guten Corporate Governance und den Anstrengungen zur Steuerkonformität der Kunden sind wir auf gutem Weg. Aber wir müssen noch mehr tun. So haben wir uns als LLB konkret eine Vision gegeben: Wir möchten Standards setzen für ein Banking mit Werten. Wobei in diesem Zusammenhang nicht nur materielle, sondern vor allem auch immaterielle Werte wie integer, respektvoll, wegweisend und exzellent gemeint sind.

In der Schweiz hat die LLB ihre Tochter geschlossen und setzt seit 2013 auf die Bank Linth. Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt?

Ja, sehr. Die Schliessung der LLB Schweiz erfolgte im Rahmen der Strategie „Focus2015“. Damit wollten wir die Strukturen und die Komplexität unserer Organisation vereinfachen. Als letzten Schritt haben wir dieses Jahr den unabhängigen Vermögensverwalter swisspartners verkauft. Dies war der letzte Meilenstein unserer Strukturbereinigung, mit der wir eine Kosten- und Komplexitätsreduzierung erreichten. Wir haben heute mit knapp 950 Mitarbeitenden rund 25 % weniger Personal als Ende 2012, stark reduzierte Kosten und vor allem konnten wir die Effizienz und die Profitabilität markant steigern. In der Schweiz wollen wir über die Bank Linth wachsen. Das ist eine Regionalbank, die auf den Markt Schweiz fokussiert und deshalb sehr gut in unsere Gruppe passt.

Roland Matt im Interview

Was sind aus Ihrer Sicht die Ingredienzen unternehmerischen Erfolgs?

Ich möchte drei Punkte erwähnen: Zuerst eine klare und fokussierte Strategie. Im heutigen, durch regulatorischen Druck und wirtschaftliche Unsicherheiten gekennzeichneten Umfeld ist dies unerlässlich. Zweitens eine starke Kultur mit motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie disziplinierten Führungskräften. Der kulturelle Bereich hat für mich grosse Bedeutung. Und drittens braucht es in der Organisation straffe Strukturen zur Umsetzung der Strategie. Die Struktur muss so ausgelegt sein, dass sie Strategie und Mensch möglichst optimal unterstützt. Stimmen diese drei Faktoren zusammen, ist der Erfolg zwar nicht sicher, aber die Voraussetzungen sind gut, um erfolgreich zu sein.

Die LLB beschäftigt aktuell 944 Mitarbeitende. Spielt das Thema Vorsorge, zum Beispiel eine attraktive Pensionskasse, bei Neuanstellungen eine Rolle?

Ja, die Vorsorge spielt eine Rolle. In der Finanzindustrie sind die Pensionskassen-Pläne im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbereichen generell überdurchschnittlich ausgestaltet. Vor diesem Hintergrund dürfte das Thema Vorsorge bei Einstellungen aus meiner Sicht sogar eine noch grössere Rolle spielen, wir positionieren es noch zu wenig aktiv. Vorsorgeleistungen sind auch ein Differenzierungsmerkmal.

… und bei unternehmerischen Entscheiden?

Nein, da ist das Vorsorgethema kein Kriterium. Für die Unternehmungsführung ist es zentral, dass die Pensionskasse auf soliden Füssen steht. Aus diesem Grund haben wir vor einigen Jahren vom Leistungs- zum Beitragsprimat gewechselt und die Parameter entsprechend angepasst. Wir haben damals gesehen, dass die Kasse in Schieflage gerät, wenn wir sie unverändert fortführen würden. Deshalb mussten wir sie zukunftstauglich machen. Heute besitzen wir wieder eine sehr gesunde, grundsolide Pensionskasse.

Roland Matt über unternehmerischen Erfolg

Liechtenstein hat in den Grundzügen das gleiche Vorsorgemodell wie die Schweiz, basierend auf der staatlichen, betrieblichen und privaten Vorsorge. Wie beurteilen Sie das Niveau der beruflichen Vorsorge in Liechtenstein?

Gerade in der beruflichen Vorsorge hat Liechtenstein sehr viel von der Schweiz übernommen. Das Niveau in Liechtenstein ist grundsätzlich gut. Im Detail ist es punktuell sicher ausbaufähig, zum Beispiel ist der Sparanteil in der Schweiz höher als bei uns. Dies ist jedoch aktuell sicher kein Kernthema angesichts dringenderer Herausforderungen.

Welches sind aus Ihrer Sicht die brennenden Fragen im Bereich der beruflichen Vorsorge?

Die zentrale Frage ist der demografische Wandel. Die Menschen werden immer älter, gleichzeitig wird das Berufsleben tendenziell kürzer, weil die Ausbildungen länger dauern und Frühpensionierungen öfter erfolgen. Durch diese Entwicklung verkürzt sich die Ansparphase, während sich die Phase der Rentenzahlung verlängert. Dies ist eine grosse Herausforderung. Das andere Problem sind die Renditen. Die historisch erzielten Erträge sind im gegenwärtigen Tiefzinsumfeld kaum mehr zu erreichen.

Im Vergleich zur Schweiz schreibt das Gesetz in Liechtenstein den Pensionskassen keinen Mindestumwandlungssatz und auch keine Mindestverzinsung vor. Die Kassen entscheiden selbst darüber und tragen die Verantwortung. Vorteil oder Gefahr?

Ich sehe es als Vorteil. In der Schweiz wird ja in der Berufsvorsorge unterschieden zwischen dem obligatorischen und dem überobligatorischen Teil, wobei die Mindestverzinsung nur für den obligatorischen Teil gilt. In Liechtenstein gibt es generell keine Mindestverzinsung. Den Vorteil zeige ich Ihnen an einem Beispiel auf: Wir führen die LLB Vorsorgestiftung für Liechtenstein, eine Sammelstiftung, der sich andere liechtensteinische Unternehmen anschliessen können. Die Liechtensteiner schauen sehr genau, welche Mindestverzinsungen in der Schweiz festgesetzt werden. Und in aller Regel ist es so, dass die Verzinsung hier mindestens der Mindestverzinsung in der Schweiz entspricht. Mit einer Ausnahme, nämlich in der Finanzkrise im Jahr 2008, als der Markt sehr negativ war und wir deshalb eine Nullverzinsung beschlossen. Sogar mit dieser Nullverzinsung sank damals der Deckungsgrad, allerdings sehr viel weniger, als wenn wir an einem definierten Mindestzinssatz hätten festhalten müssen. Der Verzicht auf einen Mindestzinssatz bietet den Kassen in ausserordentlichen Zeiten daher mehr Flexibilität. Gleichzeitig stehen die Pensionskassen aber im Wettbewerb. Und um im Markt zu bestehen, müssen sie eine wettbewerbsfähige Verzinsung anbieten.

Roland Matt das Vorsorgemodell

In der Schweiz ist der Revisionsbedarf der Altersvorsorge ein Dauerthema, aktuell ist es die AVG 2020. In Liechtenstein soll eine weitgehende Revision der beruflichen Vorsorge in nur zwei Jahren bereits 2017 umgesetzt werden. Wie ist das möglich?

Dies ist nur dank eines intensiven Dialogs mit allen liechtensteinischen Finanzplatzakteuren möglich. Zudem bietet die Kleinheit des Landes mit den buchstäblich kurzen Wegen diesbezüglich Vorteile. Wir sind in Liechtenstein konsensfähig und versuchen, Lösungen konstruktiv mitzugestalten und mitzutragen.

Die Pensionskassen stecken in stürmischen Zeiten, vor allem wegen der demografischen Entwicklung und den tiefen Zinsen im Anlagebereich. Werden wir damit nicht alle Opfer von nicht finanzierbaren Leistungsversprechen?

Hoffentlich nicht! Ich denke, wir sind intelligent genug, Beiträge und Leistungen so anzupassen, dass das Ganze am Schluss finanzierbar bleibt. Ich bin da relativ zuversichtlich. Trotz schwieriger Entscheidungen werden wir Wege finden, um das System auch in Zukunft erhalten zu können. Es gilt einfach, den Realitäten in die Augen zu schauen und die entsprechenden Entscheide zu fällen. Das wird man auch machen.

Wenn Sie den Pensionskassen einen Rat geben könnten, wie würde er lauten?

Aktuell haben die Pensionskassen wieder etwas Luft bekommen, die Deckungsgrade sind vielfach wieder über 100% gestiegen. Durch diese Entwicklung darf man sich aber nicht blenden lassen. Gerade jetzt ist behutsam vorzugehen, insbesondere mit der Verzinsung, um die Deckungsgrade zu stabilisieren und sich einen gewissen Puffer zu verschaffen. Zudem sind einige Parameter, wie der technische Zinssatz oder der Umwandlungssatz, den veränderten Realitäten anzupassen. Wo man Stellschrauben hat, sollte man justieren – und dies nicht auf die lange Bank schieben.

Zur Person
Roland Matt
Group CEO Liechtensteinische Landesbank (LLB)

Roland Matt, 1970, Liechtensteiner Staatsbürger, ist eidg. dipl. Betriebsökonom FH und hat sich zum eidg. dipl. Finanzanalytiker und Vermögensverwalter sowie zum eidg. dipl. Finanz- und Anlageexperten weitergebildet. Während mehr als zwölf Jahren war er für eine Liechtensteiner Privatbank im Bereich Research und Asset Management tätig. Matt stiess 2002 zur Liechtensteinischen Landesbank AG und leitete zuerst den Bereich Investment Services, dann die Geschäftseinheit Kunden Inland. Er ist seit 2009 Mitglied der Gruppen- und Geschäftsleitung und zeichnete bis März 2011 für die Märkte Inland und Institutionelle verantwortlich, danach für den Markt International. Seit Januar 2012 ist Roland Matt als Group CEO Vorsitzender der Gruppen- und Geschäftsleitung.

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