elipsLife Interview mit Marc Gläser
echo-interview, Februar 2016

In Zeiten wie heute gibt es keine Tabus mehr

ELIPSLIFE ECHO - EINE GESPRÄCHSSERIE MIT PERSÖNLICHKEITEN AUS DER WIRTSCHAFT

In Zeiten wie heute gibt es keine Tabus mehr

echo-interview mit Marc Gläser, CEO der Stöckli Swiss Sports AG

elipsLife echo: Herr Gläser, Die Firma Stöckli AG blickt auf 80 Jahre Ski-Tradition zurück. Heute sind Sie auch mit Bikes und anderen Outdoor-Artikeln am Markt. Wie definiert sich die Marke Stöckli heute?

Marc Gläser: Die 1935 gegründete Stöckli AG sieht sich heute ganz klar als Herstellerin von Skis, Textilien und Bikes mit einem starken, eigenen Vertrieb. Wir sind nicht nur die einzige Ski-Manufaktur in der Schweiz, sondern auch einer der führenden Sportfachhändler mit 14 eigenen Läden.

Warum sollten Skifahrer oder Biker „Stöckli“ kaufen?

Stöckli bietet ein ausgesprochen hochwertiges Produkt an. Unsere Skis werden ausschliesslich in der Schweiz hergestellt und stehen mit ihrem „Swiss made“ für alle Qualitätsattribute, die mit unserem Land in Verbindung gebracht werden: Präzision, Langlebigkeit und Innovation. Zudem sind wir mit unseren Produkten seit Jahren im Ski-Weltcup erfolgreich. Es gibt also eine ganze Reihe von Gründen, weshalb man Stöckli wählen sollte. Die Marke Stöckli gehört wie andere typische Schweizer Produkte – Rivella, Ricola oder Elmex sind solche Beispiele – in jeden Haushalt.

Im Vergleich zu den grossen Herstellern ist die Firma Stöckli ein Nischenplayer. Wie behaupten Sie sich gegen die ausländischen Grosskonzerne?

Man muss differenzieren. In der Schweiz sehe ich Stöckli nicht als Nischenplayer. Volumenmässig sind wir an dritter Stelle, wertmässig sogar an erster, wenn man auf das für uns relevante Marktsegment „Skis über 800 Franken“ schaut. In diesem Bereich haben wir einen Marktanteil von rund 35 %, sind also einer der grossen Marktplayer. In der Schweiz wird heimisches Schaffen geschätzt und honoriert – ein echter Heimvorteil für uns.

Also werfen Sie Swissness erfolgreich in die Waagschale?

Kürzlich war in verschiedenen Studien zu lesen, dass gerade bei männlichen Konsumenten über 40 Swissness wieder ein Thema ist. Und schweizerischer als Stöckli geht gar nicht. Wir bieten so viel Swissness wie kaum eine andere Schweizer Firma. Dies beginnt bei den Materialien, die wir, wenn immer möglich, in der Schweiz beziehen. Und bei Stöckli sprechen wir nicht von einer Fabrik, sondern von einer Manufaktur: manu faktum, von Hand gemacht. Bei uns bauen Fachleute mit viel Handarbeit, Herzblut und Leidenschaft Skis. Diese Manufaktur, dieses „Hand-Werk“, zelebrieren wir als Swiss made.

Auch im Ausland hat Swiss made eine besondere Bedeutung, das habe ich bereits während meiner Zeit in der Uhrenindustrie erfahren. Swiss made wird überall auf der Welt positiv mit Qualität, Innovation und Präzision assoziiert. Aber auch mit Ehrlichkeit, Multikulti, Mehrsprachigkeit und mit Demokratie im Sinne von Konsenslösungen finden. All diese Attribute strahlen positiv aus.

echo-interview mit Marc Gläser, CEO der Stöckli Swiss Sports AG

Wie schlägt sich das bei Stöckli im Ausland nieder?

Im Ausland haben wir eine andere Positionierung: Während wir im Heimmarkt deutlich breiter tätig sind, fokussieren wir im Ausland auf den Premiumbereich. Da sprechen wir von Marktanteilen zwischen 1 und 3 %, je nach Land, und sind somit klar ein Nischenplayer. In vielen Ländern sind wir 30 bis 40 % teurer als die Konkurrenz, zielen also auch preislich in ein oberes Segment.

Welches sind für Stöckli die wichtigsten Absatzmärkte?

Unser grösster Markt ist die Schweiz. Daneben gehören die Nachbarländer zu den Hauptmärkten, insbesondere Österreich und Italien. Aber auch in Deutschland kommen wir unterstützt durch die Erfolge der Rennfahrerin Viktoria Rebensburg auf Stöckli-Skis immer besser in Fahrt. Weiter sind die USA und Japan wichtig für uns. Unser Exportanteil liegt bei rund 50%.

Ausgerechnet die Skihochburg Österreich mit eigenen grossen Skiherstellern gehört zu den wichtigsten Märkten von Stöckli ausserhalb der Schweiz?

Die Leute wollen sich differenzieren. Das geschieht unter anderem über den Kauf eines bestimmten Brands oder über ein konkretes Produkt. Auch in Österreich wollen sich nicht alle Skifahrer im Einheitsbrei einheimischer Massenprodukte in die Skilift-Schlange stellen. Der Konsument will sich über die Marke unterscheiden können. Wer ein Markenprodukt trägt, macht die Aussage, sich mit dieser Marke bzw. den damit verbundenen Werten zu identifizieren. Vor diesem Hintergrund reicht es heute nicht mehr, einfach nur ein gutes Produkt herzustellen. Vielmehr muss es gelingen, mit der Marke die anvisierte Zielgruppe anzusprechen. Dazu braucht es erfolgreiche Kommunikation.

echo-interview mit Marc Gläser - Stöckli Swiss Sports AG

Mit den Skifahrerinnen Tina Maze und Julia Mancuso sowie mit Bikerin Jolanda Neff hat Stöckli drei prominente Aushängeschilder. Zufall, dass Stöckli dabei auf den Frauensport fokussiert?

Lassen Sie es mich provokativ formulieren: Erfolgreiche Sportlerinnen haben einen ausgesprochen guten Return on Investment. Im Frauenrennsport erreichen wir einen sehr guten Kosten-Nutzen-Effekt, weil die Verträge günstiger sind. Zudem ist die Kalkulierbarkeit des Erfolgs wegen der geringeren Leistungsdichte grösser. Hat man eine der Top-Sieben-Frauen unter Vertrag, ist die Chance auf einen Podestplatz viel grösser als bei den Männern, weil dort die Leistungsdichte brutal eng ist. Für Stöckli als kleines Unternehmen ist der Männerrennsport schwierig zu finanzieren. Trotzdem versuchen wir, in unserem Athletenpool Männer und Frauen zu haben. Der Hype um Stöckli im Jahr 2010 wurde schliesslich durch Mike Schmid im Cross-Ski ausgelöst. Bereits zuvor hatten Urs Kälin, Ambrosi Hoffmann oder Paul Accola unserer Marke zu Bekanntheit verholfen.

Was ist wichtiger: Starkes Marketing oder ein Spitzenprodukt?

Es ist wie bei einer Pyramide: Das Fundament ist zentral – und ein gutes Produkt ist immer ein starkes Fundament. Jedes erfolgreiche Unternehmen baut auf gute Produkte. Da heute aber viele Anbieter solche Produkte haben, braucht es eine starke Kommunikation. Es nützt schliesslich nichts, ein super Produkt herzustellen, wenn das niemand weiss.

Welche Ingredienzen gehören aus Ihrer Sicht zum erfolgreichen Unternehmertum?

Unternehmertum hat mit Offenheit, Neugier und Leidenschaft zu tun. Und mit der Bereitschaft, immer wieder kalkulierbare Risiken einzugehen. Das Wort Unternehmertum spricht ja für sich und mein Vater, ein erfolgreicher Unternehmer, hat mir das immer wieder eingetrichtert: Der Unternehmer unternimmt etwas. Er sucht nach Opportunitäten, Trends, Möglichkeiten – er ist immer „on the move“ und nimmt eben auch Risiken auf sich.

elipsLife - Stöckli Swiss Sports AG mit Marc Gläser

Die Stöckli AG beschäftigt 250 festangestellte Mitarbeitende und fast nochmals so viele Aushilfen. Spielt das Thema Altersvorsorge bei Neuanstellungen eine Rolle?

Auf Kader- und GL-Stufe spielt die Altersvorsorge bei Einstellungen gewiss eine Rolle. Dies ist sicher auch eine Frage des Alters: Ich hab mich bis 40 nie mit dem Thema Vorsorge beschäftigt und jetzt wird es für mich ein immer wichtigeres Thema. Kader- und GL sind eher 40 und älter. In den unteren Chargen, vorwiegend Facharbeiter und Verkäufer/Verkäuferinnen, die in unserer Retailorganisation zahlreich vertreten sind, haben wir wenige Leute, die älter als 30 sind. Für diese ist die Altersvorsorge kein drängendes Thema, noch nicht.

Die Schweiz hat ein gut entwickeltes System, das mit den drei Säulen die staatliche und private Vorsorge kombiniert. Wird sich dieses 3-Säulen-System auch in Zukunft behaupten?

Grundsätzlich finde ich das Schweizer System sehr gut. Die stark gestiegene Lebenserwartung hat es zwar unter Druck gesetzt, aber das scheint mir logisch. 1960 betrug die Lebenserwartung 71 Jahre, aktuell steht sie bei 84 Jahren. Heute so weiter zu machen wie bis anhin, wäre schlicht naiv. Die veränderten Rahmenbedingungen sind unbedingt im Auge zu behalten. Sie zu negieren, wäre fatal. Die Änderung entscheidender Parameter muss zwangsweise zu Anpassungen im Vorsorgesystem führen.

Bei der AHV kommen wir extrem unter Druck, weil sich das Verhältnis Bezüger-Bezahler in den letzten 50 Jahren von 6:1 auf 2:1 verschlechtert hat. Da lässt sich nicht länger auf überholten Gegebenheiten, Berechnungen und Leistungen bauen. Es wäre dumm, die Augen vor diesen veränderten Fakten zu schliessen. Zur Systemsicherung sehe ich verschiedene Lösungsansätze, dazu gehören erhöhte Beiträge, angepasste Leistungen oder neue Einnahmequellen wie die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Ziel der AHV muss es sein, Pensionierten ein menschenwürdiges Leben in der Schweiz zu sichern.

Bei der PK gilt es, die Erwartungshaltung massiv zu reduzieren. Alternativ liesse sich mehr einzahlen, um die Leistung erhalten zu können. Weil alle Beitragszahler den Grossteil des Geldes wieder zurückerhalten, erscheint mir das ein motivierender Ansatz. Falsch wäre, wenn der Staat hier im Detail vorschreiben würde, was gilt und was nicht. Über freiwillige Beiträge soll jeder selbst entscheiden können. Das gilt auch für die 3. Säule. Bei dieser sind die steuerlichen Abzüge unbedingt zu erhöhen. Die heutigen Limiten von knapp 6‘800 Franken sind nur bedingt ein Ansporn. Der Staat kann da auf einfache Art und Weise grössere Anreize schaffen, um die private Vorsorge attraktiver zu machen und den Bürger zu motivieren, aktiv anzusparen.

elipsLife - Stöckli Swiss Sports AG mit 250 Mitarbeiter

Um die AVG-Revision 2020 zu verstehen, muss man sich damit auseinandersetzen, es braucht Kommunikation. Ist das in Ihrem Unternehmen ein Thema?

Nein, ist es (noch) nicht. Aber unser CFO, bei dem das Thema angesiedelt ist, steht mit unserer Versicherung in dieser Sache in Kontakt und wird mich darauf aufmerksam machen, wenn das Thema für die Mitarbeiterkommunikation relevant ist. Tragfähige Lösungen für unsere Mitarbeiter liegen mir am Herzen. Gerade wenn ich schaue, wie hart unsere Leute für Stöckli arbeiten, will und werde ich dafür sorgen, dass gute Lösungen für sie bereit stehen, wenn sie in Pension gehen.

Sollen aus Ihrer Sicht die Rentenbezüger an der Sanierung des Vorsorgesystems beteiligt werden – oder sind einmal erworbene Rentenansprüche tabu?

In Zeiten wie heute, in denen sich alles verändert, gibt es keine Tabus mehr. Ganze Wirtschaftszweige stehen vor grundlegenden Veränderungen. Die Digitalisierung, das Internet, der starke Schweizer Franken oder e-Commerce werden sich auch auf unsere Vorsorge auswirken. Umso mehr sind deshalb gute, faire und finanzierbare Lösungen gefragt. Man kann ja machen, was man will, aber irgendwer muss am Schluss Abstriche machen. Und fair wäre, diese Abstriche möglichst auf alle zu verteilen.

Viele Aspekte der AVG-Revision sind umstritten, einen Leistungsabbau wird es aber so oder so geben müssen. Wie stehen Sie zur Erhöhung des Rentenalters für Frauen auf 65?

Ein absolutes Muss. Ich sehe keinen Grund, an diesem Relikt festzuhalten. Frauen hatten schon immer eine höhere Lebenserwartung als Männer. Zudem bin ich ein Verfechter gleicher Löhne für Frau und Mann. In unserer Firma haben wir das konsequent umgesetzt.

Überalterung und tiefe Zinsen setzen die PKs unter Druck. Werden Pensionskassen – und damit wir alle – Opfer von nicht finanzierbaren Leistungsversprechen?

Den Begriff Opfer würde ich in diesem Zusammenhang nicht verwenden. Schliesslich werden die Menschen im Schnitt immer älter und gesünder – das ist doch positiv! Veränderungen zwingen zu Anpassungen. Da kann es sein, dass vor langer Zeit gemachte Versprechen auch mal nicht mehr zu 100% eingehalten werden können. Dennoch bin ich überzeugt, dass für die allermeisten genug Geld zur Verfügung stehen wird. Sorgen müssen wir uns um Menschen im Tieflohnsegment machen. Für Zwei-Personenhaushalte mit einem Einkommen von unter CHF 5‘000 müssen wir tragfähige Lösungen erarbeiten.

Wenn Sie den Pensionskassen einen Tipp geben könnten, wie würde er lauten?

Ich würde lieber den Versicherten einen Ratschlag geben: Das Delta zwischen dem Benötigten und dem, was wir nach der Pension beziehen wollen, sollte möglichst frühzeitig definiert und dann privat erspart werden. Zur Sicherung des Systems sollte, wie bereits erwähnt, nach neuen, sinnvollen Einnahmequellen gesucht werden. Vielleicht wäre in diesem Zusammenhang auch eine schlaue Besteuerung von Erbschaften zu prüfen.

Zur Person
Marc Gläser
CEO der Stöckli Swiss Sports AG

Marc Gläser, 1968, ist seit Oktober 2014 CEO der Stöckli Swiss Sports AG, der einzigen Ski-Manufaktur der Schweiz. Nach seinem Betriebswirtschaftsstudium in St. Gallen, das er als lic. oec. HSG abschloss, arbeitete Gläser zuerst im Brand-Management für Unilever, dann als Marketingmanager bei Feldschlösschen. Anschliessend stiess er als Geschäftsführer, Mitinhaber und Verwaltungsrat zur Schweizer Design-Möbelmarke Wogg. 2004 wechselte Gläser in die Uhrenindustrie zur Maurice Lacroix S.A., wo er vorerst acht Jahre als Marketing- und Verkaufsleiter und ab 2012 als CEO tätig war. Marc Gläser ist verheiratet und Vater zweier Söhne.

echo-interview mit Marc Gläser

Drucken