The capital pension funds have is the trust people place in them, Pascal Jenny
echo-Interview, Oktober 2017

Vertrauen ist das Kapital der Pensionskassen

ELIPSLIFE ECHO - EINE GESPRÄCHSSERIE MIT PERSÖNLICHKEITEN AUS DER WIRTSCHAFT

Vertrauen ist das Kapital der Pensionskassen

echo-interview mit Pascal Jenny, Kurdirektor, Arosa Tourismus

elipsLife echo: Herr Jenny, sind die Aroserinnen und Aroser die lustigsten Bündner – oder warum hat Arosa Tourismus das Humor-Festival erfunden?
Pascal Jenny: Humor ist bei uns in Arosa ein wichtiges Thema und Teil unseres Alltags. Das Humorfestival ist aber auf rein wirtschaftliche Überlegungen zurückzuführen. Vor rund 30 Jahren gab es in Arosa die sogenannten „Wedelwochen“ für Leute, die Anfang Dezember im ersten Schnee Skis testen wollten. Als das Interesse an diesen "Wedelwochen" abnahm, suchte man nach Alternativen. Und weil zu jener Zeit Comedy-Anlässe aufkamen, tauchte die Idee auf, etwas rund um die Themen Comedy und Humor zu machen. So wurde vor 26 Jahren das Arosa Humor Festival gegründet. Heute bringt die Veranstaltung rund 20'000 Besucherinnen und Besucher nach Arosa.  

Gibt es neben dem Humor-Festival noch andere Gründe, weshalb Herr und Frau Schweizer ihre nächsten Ferien in Arosa verbringen sollten?
Ja, klar! Wir leben in Arosa in einer Art Paradies. Arosa hat einige Faktoren, die in der heutigen, von Hektik und Schnelllebigkeit geprägten Zeit wichtig sind. Die Talendlage des Dorfes, der spezielle Charme und allein das Erlebnis, von Chur über die Strasse mit ihren 365 Kurven nach Arosa zu gelangen – das alles zusammen macht das Geheimnis des Dorfes aus. In Arosa hat man das Gefühl, weit weg vom Alltag zu sein. Im Winter bietet Arosa dank seiner Lage auf 1800 Meter über Meer echtes Wintererlebnis: Schnee im Dorf, keine schwarzgeräumten Strassen und von Dezember bis sicher Mitte Februar alles im weissen Kleid. Ab Juni 2018 ist Arosa zudem der einzige Ort in den Alpen, wo Bären in der Natur beobachtet werden können.  

Stehen solche Events nicht im Widerspruch zu den sonst beworbenen typischen Merkmalen wie intakte Berg- und Wanderwelt, Natur und Ruhe?
Nein, das ist kein Widerspruch. Jeder, der während eines unserer Events in Arosa weilt, merkt, dass sich die Frage gar nicht stellt. Ein Beispiel: Ende August führen wir jeweils die Arosa ClassicCar durch. Mit rund 170 Oldtimern und 20‘000 bis 25‘000 Besuchern unser wohl lautester Anlass. Ist man zu dieser Zeit in Arosa und will nichts mit Autos zu tun haben, findet man in maximal 10 Minuten Natur und Ruhe pur. Da ist dann nichts mehr zu spüren von Autolärm und Oldtimer-Nostalgie. Kommt hinzu, dass auch jene Gäste, welche die Ruhe suchen, ab und zu Unterhaltung wünschen.

Wie hoch ist der Anteil Schweizer Gäste in Arosa?
Wir konnten in den letzten Jahren den Anteil Schweizer Gäste von rund 60% auf fast 70% steigern. Und das, obwohl Ferien in der Schweiz auch für Schweizerinnen und Schweizer als eher teuer gelten. Daneben stammen rund 15% unserer Gäste aus Deutschland, 5% aus den Benelux-Staaten und die restlichen 10% kommen aus aller Welt. Gerade für ausländische Gäste sind die Events wichtig. So zieht zum Beispiel die jährliche Arosa Gay Skiweek im Januar sogar Besucher aus Australien an, während die Arosa ClassicCar vor allem auch bei Engländern populär ist.

echo-Interview, October 2017

Und wie verteilt sich das Geschäft auf die Sommer- und die Wintersaison?
70% der Gesamtwertschöpfung und der Logiernächte entfallen auf den Winter, 30% auf den Sommer. Bis anhin hatten wir im Sommer den Nachteil der Höhenlage, die uns bei schlechtem Wetter immer wieder Wintereinbrüche mit Schnee bescherte. Klimaerwärmung und Hitzewellen im Unterland eröffnen aber echte Chancen für das Sommertourismusgeschäft in höheren Lagen.  

Welches sind aktuell die grössten Herausforderungen für die Tourismusbranche?
In meinen Augen ist die allergrösste Herausforderung herauszufinden, auf welchen Plattformen wir unsere Produkte kommunizieren. Die landläufige Meinung, über Fernsehspots und Plakate bekannt zu werden, greift in der heutigen Zeit zu kurz. Meine bald 10-jährige Erfahrung in Arosa zeigt mir: Auf den richtigen Plattformen laut zu sein, ist der Kern des Erfolgs. Unsere wichtigste Plattform sind unsere Events.

Und welches sind die Lichtblicke?
Die Kooperation, ganz klar. Als ich zu Beginn meiner Tätigkeit in Arosa die Worte Davos oder St. Moritz in den Mund nahm, wurde ich schräg angeschaut. Heute haben diese drei Orte eine Firma, über welche wir gemeinsam versuchen, den chinesischen Markt zu bearbeiten. Wir haben gemerkt, dass gemeinsam mehr bewegt werden kann und unsere Mitbewerber eben nicht Davos und St. Moritz sind, sondern zum Beispiel die Fluss- und Schifffahrtsgesellschaften, die mit jedem ihrer Schiffe pro Jahr etwa gleich viele Logiernächte produzieren wie wir als Ferienort.   

Die Aroser haben nicht bloss ein Faible für Humor, sie sind auch tierliebend, wie die breite Unterstützung für das Projekt Bärenland zeigt. Wie viele zusätzliche Besucher soll das  Tierschutz- und Tourismusprojekt ab Sommer 2018 nach Arosa bringen?
Wir erwarten 80‘000 bis 100‘000 zusätzliche Besucher pro Sommer, eine Verdoppelung im Vergleich zu heute. Warum das Projekt von der Bevölkerung so breit getragen wurde, lässt sich historisch erklären. Der legendäre Eichhörnchenweg von Arosa ist auch heute noch populär. Rund 50‘000 Gäste spazieren pro Sommer über diesen Waldweg, bauen so einen Bezug zu den Tieren auf und bringen das mit Arosa in Verbindung. Dies war der Grund, warum wir schon länger planten, das Thema Tier voranzutreiben. Als sich dann die Chance mit dem Projekt Bärenland ergab, war das ideal. 

echo interview with Pascal Jenny, Director of the Arosa Tourist Board

Seit einigen Jahren buhlen ausländische, insbesondere österreichische Ferienregionen stark um Schweizer Touristen. Arosa setzt dem einiges entgegen. Zeitigt dieser Aktivismus Erfolg? 
Unser Hauptmarkt ist die Schweiz, und wir haben mit ausländischen Ferienregionen neue Mitbewerber. Diese machen das richtig, denn sie werben um eine Zielgruppe, die nahe ist, ein gutes Angebot zu schätzen weiss und mit Kritik zurückhält. Es ist nichts als logisch, dass Österreicher hier Werbung machen. Uns tut das natürlich weh und wir treten dem auch entgegen. Zum Beispiel mit dem Produkt „Skischule inklusive“. Wir investieren rund eine Million jährlich, um unseren Hotel- und Ferienwohnungsgästen die Skischule kostenlos anbieten zu können.

Wäre es nicht die Aufgabe von Schweiz Tourismus, dieser ausländischen Werbung entgegenzuwirken?
Ich würde mir wünschen, dass Schweiz Tourismus gerade in jenen ausländischen Märkten, die Schweizer Touristen für sich abwerben, spürbarer auftritt. Und dass Schweiz Tourismus Gross-Events mit internationaler Ausstrahlung unterstützen würde. Ich denke da zum Beispiel an das Leichtathletikmeeting Weltklasse in Zürich – eine super Plattform als Botschafter der Schweiz. Oder auch an bestimmte Personen, zum Beispiel Roger Federer.

Was sind aus Ihrer Sicht die Ingredienzen unternehmerischen Erfolgs?
Für mich stehen drei Begriffe im Zentrum: Erstens die Flexibilität, weil unsere schnelllebige Welt rasches Handeln verlangt. Zweitens die Vorbildfunktion, weil Menschen sich motivieren lassen, wenn sie spüren, dass jemand für das, was er macht, lebt. Und drittens den Mut, zu seiner Meinung zu stehen und diese auch gegen Widerstände durchzusetzen. Konsequenz ist eine wichtige Basis unternehmerischen Erfolgs. 

Hotellerie und Gastronomie schaffen zwar viele Arbeitsplätze, zählen aber zu den Tieflohnbranchen. Gleiches gilt für Bergbahn- und Skiliftangestellte. Welche Bedeutung hat da die Altersvorsorge?
Ich glaube, die wenigsten überlegen sich die Folgen für ihre Altersvorsorge, wenn sie wenig verdienen oder nur saisonal arbeiten. Wahrscheinlich aus zwei Gründen: Viele solcher Jobs werden oft von jungen Leuten gemacht, die frisch von der Ausbildung kommen und sich noch keine Gedanken über die Zukunft in 40 Jahren machen. Auf der anderen Seite arbeiten gerade ältere Angestellte zum Beispiel am Skilift oft vor allem aus Leidenschaft und denken dabei nicht an die Vorsorge. Durchaus selbstkritisch muss ich sagen, dass wir das Thema auch zu wenig ansprechen.

 

ELIPSLIFE ECHO - INTERVIEWS WITH PROMINENT BUSINESS LEADERS

Das Ausland beneidet die Schweiz um das bewährte 3-Säulen-System. Was braucht es, damit sich das 3-Säulen-System auch in Zukunft behaupten kann?
Die ausgewogene Mischung zwischen staatlicher, beruflicher und privater Vorsorge muss auch in Zukunft gesichert sein. Zu einer Vermischung der drei Säulen darf es nicht kommen. Wichtig ist auch, dass die 3. Säule mit grösstmöglicher Flexibilität ausgestaltet bleibt, damit sie sich den verändernden Lebensumständen während eines Familien- und Berufslebens anpassen kann. Man kann von den Arbeitnehmenden nicht immer mehr Flexibilität verlangen, ohne dass auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen flexibler ausgestaltet werden.

Welches sind aus Ihrer Sicht aktuell die grössten Herausforderungen für die 2. Säule?
Das Lohnniveau in der Schweiz, selbst in Tieflohnbranchen, ist im Vergleich zum Ausland sehr hoch. Dies bekommen wir im Tourismus und in der Gastronomie direkt zu spüren. Deshalb darf es zu keiner weiteren Belastung der Lohnkosten durch höhere Abgaben für die berufliche Vorsorge kommen. Zudem tangieren die gestaffelten, mit zunehmendem Alter steigenden Lohnprozente für die berufliche Vorsorge die Erwerbsmöglichkeiten für ältere Arbeitnehmende. Solche Hürden für ältere Arbeitnehmende müssen weg.

Sollte die 3. Säule stärker vom Staat gefördert werden, um die 1. und 2. Säule zu entlasten?
Ich erwarte keine Förderung der einen oder anderen Säule, aber es ist wichtig, dass die 3. Säule nicht eingeschränkt und belastet wird. In der Altersvorsorge ist Vertrauen und Berechenbarkeit zentral. Wir sollten also nicht dauernd an den Parametern herumschrauben, sondern vielmehr klare Rahmenbedingungen schaffen und diese bei aller Flexibilität über lange Zeit konsequent anwenden.

Besteht nicht die Gefahr, dass das tiefe Zinsumfeld und die demografische Entwicklung vor allem die 2. Säule aus den Angeln heben wird und wir alle Opfer von nicht finanzierbaren Leistungsversprechen werden?
Die Leistungsversprechen sind heute zum Teil unrealistisch hoch und werden in Zukunft wohl nicht voll erfüllt werden können. Es ist daher zwingend, dass der Umwandlungssatz angepasst und ein Mechanismus geschaffen wird, der auch zukünftig Anpassungen ermöglicht. Vielleicht müssen wir aber auch einfach zur Kenntnis nehmen, dass es in Zukunft nicht automatisch möglich sein wird, nach dem Ausstieg aus der Arbeitstätigkeit auf demselben hohen Niveau zu leben wie zuvor. Gewisse Einschränkungen sind zu akzeptieren, da unser sehr hoher Lebensstandard durchaus den einen oder anderen Abstrich erlaubt. Solche Überlegungen kann man aber wohl nur als „Nicht“-Politiker äussern… 

Director of the Arosa Tourist Board, Pascal Jenny

Ist es fair, die Rentenbezüger an der Sanierung des Vorsorgesystems zu beteiligen – oder sind einmal erworbene Rentenansprüche tabu?
Was heisst fair? Grundsätzlich ist es nicht fair, wenn man mir etwas wegnimmt, was mir einmal versprochen wurde. Doch in unserer Zeit ist nichts mehr fix, und in Zukunft wird alles noch variabler und unberechenbarer. Der Rentenbezüger lebt in einer sich wandelnden Gesellschaft und muss deren Verwerfungen mittragen. Deshalb braucht es eine gewisse Flexibilität und auch die Grösse, Abstriche zu akzeptieren, damit das Gesamtsystem auch in Zukunft funktionieren kann. Und deshalb ist es zentral, dass zwischen dem Rentenbezüger und dem Leistungserbringer eine Vertrauensbasis besteht. Denn nur so kann Verständnis für Leistungsanpassungen erreicht werden.

Wenn Sie heute den Pensionskassen in der Schweiz einen Rat geben könnten: Wie würde dieser lauten?
Als Nicht-Pensionskassenexperte masse ich mir keinen materiellen Rat an. Als Bürger, Arbeitnehmer, Leiter eines Unternehmens mit 35 Mitarbeitenden und Familienvater würde ich aber raten, offen und ehrlich zu kommunizieren. Im Hamsterrad des Tagesgeschäfts werden Vorsorgethemen bei der Bevölkerung in den Hintergrund gedrängt. Deshalb sollten Pensionskassen das Gespräch mit den Kunden suchen und so informieren, dass auch Nicht-Versicherungsexperten verstehen, was mit den Vorsorgegeldern geschieht. Sie sollten die Sorgen der Arbeitnehmenden ernst nehmen und die Thematik besser in der Bevölkerung verankern. Eine offene und ehrliche Kommunikation schafft das nötige Grundvertrauen – und Vertrauen ist doch das Kapital der Pensionskassen.

Zur Person
Pascal Jenny
Kurdirektor, Arosa Tourismus

Pascal Jenny, 1974, schloss seine Ausbildung an der Universität Zürich als Betriebsökonom lic.oec.publ. ab. Nach Tätigkeiten im Gesundheitswesen, in der Konsumgüterindustrie und in der IT-Branche gründete er noch während seiner aktiven Sportkarriere (75 Länderspiele für die Schweizer Handballnationalmannschaft) die Firma Sic, Agentur für Aussenwerbung. Nach einer Beteiligung und dem Partnereinstieg bei der Firma Mediapolis (Agentur für Wirtschafts- und Kommunikationsberatung) engagierte er sich in der klassischen Kommunikationsberatung. Gemeinsam mit weiteren Investoren gründete Jenny 2007 das Schweizer Sportfernsehen SSF und führte dies bis im Juni 2008 als Geschäftsführer. Im Juni 2008 nahm er das Angebot zum Kurdirektor in Arosa an. Pascal Jenny ist verheiratet und lebt mit seinen drei Kindern in Arosa.

echo-Interview mit Pascal Jenny

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