echo-Interview mit Jürg Stahl, SVP-Nationalrat, Kanton Zürich
elipsLife echo: Herr Stahl, seit 20 Jahren kommt keine Reform der Altersvorsorge mehr zustande. Ihre Partei lehnt auch den neusten Versuch ab, den sogenannten AHV-Steuer-Deal. Droht die Politik bei der Altersvorsorge zu versagen?
Jürg Stahl: Finden wir keine Lösung, kommt das einem gesellschaftlichen Versagen gleich, die Politik ist schliesslich nicht mehr als ein Abbild unserer Gesellschaft. Wir alle stehen in der Verantwortung, die Wirtschaft inklusive. Es geht um viel. Das Thema Altersvorsorge ist komplex und emotional, weil es die ganze Gesellschaft betrifft. Entsprechend schwierig gestaltet sich das Finden von Lösungen. Wäre eine ultimativ mehrheitsfähige Lösung einfach zu schaffen, wäre dies schon längst geschehen.
Bei der gescheiterten Reform AV 2020 gehörte die SVP zu den Siegern. Wie zuversichtlich sind Sie, dass dies beim AHV-Steuer-Deal wieder gelingen wird?
Es geht in dieser Frage nicht um eine einzelne Partei und sicher auch nicht darum, Sieger zu kreieren. Ich war Nationalratspräsident, als wir die Vorlage im Parlament hatten. Bei der Schlussabstimmung erreichte die AV 2020 gerade mal das Minimum von 101 Stimmen. Das geforderte qualitative Mehr war damit zwar geschafft, allerdings deutete das knappe Resultat bereits an, dass die Aussichten bei der Volksabstimmung schlecht sein würden. Nach der Abstimmung habe ich mich jedenfalls nicht als Sieger gefühlt, zu gross war und blieb der Reformdruck. Beim AHV-Steuer-Deal ist die SVP nicht geschlossen dagegen. Mehrheitlich ist man aber der Meinung, dass die Verknüpfung AHV mit Steuern nicht gut ist.
Was fehlt bei der jetzigen Reform?
Ich persönlich bedaure es, dass die Reform der 2. Säule nicht angegangen wird. Zudem ist die Verantwortung des einzelnen Bürgers zu wenig integriert. Trotzdem warne ich ausdrücklich davor, beim Thema Vorsorge von Siegern und Verlierern zu sprechen. Es geht um viel mehr als um eine blosse Gesetzesrevision, es geht um die nächsten Generationen in unserem Land.
Was steht bei der AHV-Reform für die SVP im Vordergrund?
Die SVP ist klar der Meinung, dass die AHV-Reform strukturelle Änderungen beinhalten muss. Eine rein finanzielle Sanierung reicht nicht. Die gescheiterte AV 2020 enthielt viele positive Elemente. Die Angleichung des Rentenalters 65/65 für Männer und Frauen wäre beispielsweise eine strukturelle Änderung gewesen. Es ist doch unbestritten: Wenn eine Reise länger geht, nimmt man entweder mehr Proviant mit oder isst weniger. Die Lebenserwartung ist enorm angestiegen. Das ist eine erfreuliche, statistische Tatsache. Die AHV wurde 1959 in Kraft gesetzt. Weshalb man damals auf das Pensionierungsalter 65 kam, geht aus den Protokollen übrigens nicht hervor. Fakt ist, dass heute die Lebenserwartung 16 Jahre höher ist als 1959. Wer also heute in Rente geht, hat eine wesentlich längere Reise vor sich als damals.