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echo-Interview, Mai 2020

Unser Rentensystem ist das beste

ELIPSLIFE ECHO - EINE GESPRÄCHSSERIE MIT PERSÖNLICHKEITEN AUS WIRTSCHAFT UND POLITIK

echo-Interview mit Pascal Kuchen

Pascal Kuchen, Directeur Général Collective de Prévoyance Copré, einem Rückversicherungspartner von elipsLife

elipsLife echo: Herr Kuchen, die La Collective de Prévoyance Copré ist eine teilautonome Sammelstiftung Wie viele Unternehmen sind Ihrer Stiftung angeschlossen? 
Pascal Kuchen: Aktuell sind knapp mehr als 1000 Unternehmen mit rund 15‘500 Versicherten bei uns angeschlossen. 

Ist Copré ausschliesslich in der Westschweiz tätig?
Nein, wir sind in der ganzen Schweiz tätig ausser dem Tessin. Unsere Kunden sind zu rund 70% in der West- und 30% in der Deutschschweiz. Wir sind nicht so gross wie eine Axa oder Swiss Life, zählen aber bei den teilautonomen Vorsorgestiftungen zu den Top drei in der Westschweiz. In der Deutschschweiz ist unser Marktanteil steigend und das Wachstumspotenzial für uns grösser, weil der Markt grösser ist. Trotz der Corona-Krise hat sich übrigens die Anzahl Offert-Anfragen aus der Deutschschweiz nicht verändert. Während wir in der Westschweiz eine klare Abnahme feststellen, sind wir in der Deutschschweiz auf dem gleichen Niveau wie im Vorjahr.

Warum soll sich aus Ihrer Sicht ein KMU einer teilautonomen Sammelstiftung anschliessen und nicht einer Vollversicherung?
Für die teilautonome Sammelstiftung sprechen die besseren Leistungen. Im Vergleich zur Vollversicherung haben wir klar bessere Umwandlungssätze. So hat zum Beispiel Swiss Life im überobligatorischen Bereich einen solchen von 4,8%, Copré aber von 6,5%. Auch die Verzinsung bei den Sparkapitalien ist besser und die Risikoprämien sind tiefer. Teilautonome Sammelstiftungen können allerdings in Unterdeckung geraten. Wenn sich die Börse lange schlecht entwickelt, kann der Kunde einer Vollversicherung noch immer gut schlafen, während sich der Kunde einer teilautonomen Stiftung vielleicht zu fragen beginnt, wie das aufgrund der Börsenentwicklung weitergehen soll. Dies könnte zu Sanierungsmassnahmen führen, was es bei Vollversicherungen nicht gibt. Vollversicherungen geben auch Garantien bezüglich Deckungsgrad und Leistungen, teilautonome Stiftungen nicht. Dafür sind diese flexibler in ihren Anlagestrategien. So hat Copré sehr viele Immobilien- und Alternative, nicht börsenkotierte Anlagen im Portefeuille und erreicht dadurch immer weit überdurchschnittliche Anlageresultate. 

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Was unterscheidet Copré von anderen teilautonomen Vorsorgestiftungen? 
Copré ist völlig selbständig und kennt keine Interessenbindungen. Ferner zeichnen wir uns durch Kundennähe, Transparenz und durch unsere Anlagestrategie aus. Nicht alle Stiftungen haben wie wir einen Drittel Aktien, einen Drittel Immobilien sowie einen Drittel Obligationen und alternative Anlagen. Bei den Immobilien handelt es sich übrigens ausschliesslich um Direktanlagen; wir besitzen über 100 Liegenschaften, welche sich über die Schweiz verteilen.  

Wie beurteilen Sie die Konsolidierungstendenz bei den Sammelstiftungen?
Es wird auf jeden Fall weitere Konsolidierungen geben. Viele Sammelstiftungen haben letztlich ähnliche Geschäftsmodelle und irgendwann macht es Sinn sich zusammenzuschliessen. Dadurch können Synergien erzielt und Kosten gesenkt werden. Sammelstiftungen profitieren auch von einer anderen Konsolidierungstendenz: Immer häufiger lösen Firmen ihre firmeneigenen Stiftungen auf und wechseln zu einer Sammelstiftung. Covid-19 wird diesen Trend noch beschleunigen.

Der Bundesrat hatte vor Ausbruch der Corona-Krise eine AHV-Reformvorlage verabschiedet, um die Finanzen der 1. Säule bis 2030 zu stabilisieren. Ist die Vorlage jetzt noch zeitgemäss oder braucht es einen neuen Anlauf?
Die Corona-Krise hat an der Dringlichkeit einer AHV-Reform nichts verändert. Wir brauchen eine Revision der 1. Säule. Die Frage ist allerdings, ob die Vorlage jetzt noch die gleiche Priorität hat wie vor Ausbruch der Krise. Denn egal wie die Reform ausgestaltet ist, sie wird Geld kosten. Der Bund hat zur Bewältigung von Covid-19 sehr viel Geld ausgegeben. Es besteht deshalb durchaus die Möglichkeit, dass die AHV-Reform vorübergehend von der politischen Agenda verschwindet, aller Dringlichkeit zum Trotz. 

Auch wenn wir noch weit davon entfernt sind, die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise abschliessend abschätzen zu können, wo sehen Sie die Eckpunkte für die zukünftige AHV-Reform?
Die Eckpunkte bleiben die gleichen: Es sind die Finanzierung, das Rentenalter und die Entwicklung der Langlebigkeit. Daran ändert die Corona-Krise nichts. Die AHV ist eine Baustelle und wird dies auch morgen und übermorgen noch sein. Der AHV-Reformvorschlag des Bundesrates ist sicher nicht perfekt, aber er ist in Bezug auf das Rentenalter, die Struktur und die Finanzierung vertretbar.

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Wie hoch muss das Rentenalter sein, damit die AHV auch langfristig auf solidem Fundament stehen kann?
Lassen wir die Fakten sprechen: Wir leben heute alle länger und Frauen länger als Männer. Deshalb ist es für mich logisch, wenn das Pensionsalter an die neuen Zahlen angepasst wird. Die Frage ist eher, ob 65 für alle das korrekte Pensionierungsalter ist oder ob nicht 67 richtig wäre. Als Vorsorge-Spezialist versuche ich immer, pragmatisch zu denken. Aus dieser Sicht ist das Pensionierungsalter 65 für Frauen absolut gerechtfertigt. Tatsache ist aber auch, dass Frauen vielerorts weniger verdienen als Männer, was bei Copré übrigens nicht der Fall ist. Aber Lohnunterschiede sind eine ganz andere Diskussion. Dieses Problem ist getrennt vom Pensionierungsalter anzugehen. 

Wann ist bei der Zusatz-Finanzierung via Mehrwertsteuer die Schmerzgrenze erreicht?
Vor Corona hätte ich gesagt, dass die Schmerzgrenze für die KMU bei 1% erreicht ist. Mittlerweile ist das aber keine Frage der Schmerzgrenze mehr, sondern vielmehr eine der Prioritäten. Der Schuldenabbau nach der Corona-Krise wird auf jeden Fall auch zu einer Erhöhung der Mehrwertsteuer führen. Ob und wie viel Spielraum dann noch bleibt, um auch die Sanierung der AHV mittels Mehrwertsteuer-Erhöhung anzugehen, wird sich zeigen müssen.  

Auch die Reform der 2. Säule hatte der Bundesrat aufgelegt. Wie sehr hat Corona die Ausgangslage verändert?
Gar nicht. Wir sind uns alle einig, es braucht eine Reform der 2. Säule. Das Risiko ist, dass nun die längst fällige Reform auf die lange Bank geschoben wird. 

Sind angesichts der Corona-Krise Rentenbezüger an der Sanierung der 2. Säule zu beteiligen oder sind einmal erworbene Rentenansprüche tabu?
Sie sind tabu, Corona hin oder her. In der Schweiz ist es politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich nicht durchsetzbar, bestehende Renten um sagen wir 10% zu kürzen, nur weil eine Pensionskasse ein Problem zum Beispiel mit der Langlebigkeit hat. Das würde nie akzeptiert werden – und es wäre auch nicht fair. Eine beruflich noch aktive Person kann auf veränderte Situationen reagieren und mehr sparen, weil sie noch Zeit hat. Die hat ein Rentner nicht mehr.   

Im internationalen Vergleich hat sich dieses 3-Säulen-System bewährt. Wie stehen Sie dazu? 
Für mich ist es ein sehr gutes und ausgewogenes System. Klar haben wir in der 1. Säule Probleme beispielsweise mit den Ergänzungsleistungen, und der Abbau der Corona-Schulden macht die ganze Sache noch schwieriger. Aber die AHV erreicht das Ziel, Rentner vor der Armut zu bewahren. Die 2. Säule ist mit dem obligatorischen und überobligatorischen Teil nach wie vor sehr gut aufgestellt. Bei der 3. Säule sehe ich Optimierungspotenzial: Eine Erhöhung des steuerfreien Maximalbetrages von aktuell 6‘826 Franken pro Jahr beispielsweise um einen Drittel wäre sinnvoll. 

…also sollte trotz Corona-Krise die 3. Säule vom Staat gefördert werden, um die 1. und 2. Säule zu entlasten?
Ganz klar, ja. Aber nochmals zum 3-Säulen-Prinzip: Ich kenne aus früheren Tätigkeiten viele Altersvorsorgesysteme in Europa – und ich finde unser System nach wie vor das beste.

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Zur Person
Pascal Kuchen
Pascal Kuchen, Directeur Général Collective de Prévoyance Copré

Pascal Laurent Kuchen, geboren 1971, ist seit Februar 2018 CEO von Copré. Er blickt auf eine lange Laufbahn bei der AXA Winterthur zurück, in deren Niederlassung in Lausanne er 1998 als Kadermitarbeiter und Leiter der Administration Westschweiz eintrat. Nach verschiedenen Karriereschritten war er bei AXA zuletzt als Direktor, Mitglied des Direktionskomittees der AXA Leben und Leiter des autonomen Marktes und der Westschweiz tätig. Davor sammelte Kuchen bei der Baloise Versicherung und der Expertisa Columna, Bern, erste Erfahrungen im Versicherungsgeschäft. Seine Ausbildung schloss der passionierte Golfer an der HSG St. Gallen mit dem Diplom in Insurance Management ab. Kuchen lebt in Courgevaux im Kanton Freiburg.

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