portrait showing Judith Granat while talkin
echo-Interview, August 2022

Frauen in der Vorsorge nicht benachteiligen

ELIPSLIFE ECHO - EINE GESPRÄCHSSERIE MIT PERSÖNLICHKEITEN AUS WIRTSCHAFT UND POLITIK

echo-Interview mit Judith Granat

echo-Interview mit Judith Granat, Directrice marketing, conseil et communication, Retraites Populaires

elipsLife echo: Retraites Populaires gehört als öffentlich-rechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit zu den grossen Vorsorgeunternehmen der Romandie und ist im Kanton Waadt fest verankert. Wofür steht Ihre Institution?
Judith Granat: Retraites Populaires ist als Versicherer in der 2. und 3. Säule aktiv – letztere über Lebensversicherungen – und im Renten- sowie im Hypothekargeschäft tätig. Das Unternehmen führt zwei Stiftungen: die Retraites Populaires als Vollversicherung und die Profilia als teilautonome Versicherung. Wir versichern ausschliesslich im Kanton Waadt wohnhafte Personen und angesiedelte Unternehmen sowie Waadtländer Bürger überall auf der Welt. Die Retraites Populaires investiert viel im Kanton Waadt und fokussiert auch die zahlreichen Sponsoring-Aktivitäten auf den Kanton. Zudem managen wir eine Vielzahl von Pensionskassen, zum Beispiel die Pensionskasse des Kantons Waadt (CPEV) oder die Caisse Intercommunale de Pension (CIP). Wir sind non-profit orientiert, aber in sehr kompetitiven Märkten aktiv. Unsere Kunden lieben die Sicherheit und das Vertrauen, für die unsere Institution steht. 

Profitieren die Versicherten von der Nähe zum Staat?
Die Versicherten profitieren in erster Linie von der Solidität des Unternehmens. Ausserdem besteht im Falle eines Konkurses eine Staatsgarantie. Als öffentlich-rechtliches Unternehmen müssen wir ferner keine Aktionäre befriedigen. Deshalb ist es möglich, in guten Geschäftsjahren grosse Teile der Überschüsse an die Versicherten zurückzuführen; 2021 waren das 67,9 Millionen Franken. 

Das Unternehmen wurde 1907 als kantonale Institution gegründet. Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen Sie heute?
Wir beschäftigen ungefähr 330 Personen und 35 Lehrlinge oder Personen in Ausbildung. 95% unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten am Hauptsitz in Lausanne, einige wenige in den Filialen Yverdon-les-Bains und Nyon. 

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Wie hoch waren 2021 Prämieneinnahmen und Vermögensanlagen?
Die Prämieneinnahmen betrugen 2021 rund 723 Millionen Franken, die Bilanzsumme belief sich auf 8,9 Milliarden Franken. Rund 117'000 Personen sind direkt beim Unternehmen versichert – in der 2. und 3. Säule. Zählt man die Versicherten der Pensionskassen hinzu, die von der Retraites Populaires gemanagt werden, sind es 208'000. Somit steht praktisch jede vierte Person in der Waadt in der einen oder anderen Form mit Retraites Populaires in Kontakt.  

Die Zahl firmeneigener Pensionskassen nimmt laufend ab, der Trend geht hin zu Sammelstiftungen. Wie sehen Sie als Vertreterin eines öffentlich-rechtlichen Unternehmens diese Entwicklung? 
Wir profitieren von dieser Entwicklung. So haben wir zwischen 2020 und 2022 sechs Pensionskassen integriert, davon zwei reine Rentenkassen. Unsere Institution ist übrigens eine der wenigen Versicherungsgesellschaften, die reine Rentenkassen übernehmen.

Die Digitalisierung gehört zu den grossen Herausforderungen der Versicherungswirtschaft. Wo steht die Retraites Populaires in diesem Bereich?
Wir stehen gut da. Erstens verfügen wir über ein Portal, auf dem unsere Versicherten personalisierte Dienstleistungen in der 2. und 3. Säule sowie bei Hypotheken abrufen können. Sie finden auf diesem Portal sämtliche Informationen, können Simulationen über ihre Rentenentwicklung durchführen und mögliche Deckungslücken erkennen. In Zukunft wollen wir auch Daten der 1. Säule integrieren. Auch für die Arbeitgeber haben wir ein Portal mit zahlreichen Optionen geschaffen und so deutliche Effizienzgewinne erzielt. Diesen Herbst werden wir für die Anwendungen in der 3. Säule ein neues Tool lancieren. Damit wird der ganze Prozess eines Lebensversicherungsabschlusses vom Antrag bis zur Police direkt im Internet abwickelbar sein. 

Auch in der Schweiz ziehen dunkle Inflations-Wolken auf. Was bedeutet die Geldentwertung für die Pensionskassen?
Man muss diese Frage aus drei Winkeln betrachten: Aus Sicht der Pensionskassen, die das Geld ihrer aktiven Versicherten anlegen, ist die Entwicklung langfristig eher positiv, weil die Anleihen wieder Rendite bringen werden. Dadurch kommen die Anlagen als dritte Beitragsquelle in der Vorsorge wieder zum Tragen. Aus Sicht der aktiven Versicherten bringt die Inflation eine Zunahme der Lohnsumme. Damit wird mehr Geld in die Pensionskassen fliessen und auch die Zinsen werden steigen. Ferner wird jede Pensionskasse beurteilen müssen, ob sie eine Indexierung der Renten vorsieht, eine Zusatzrente einführt oder ob sie nichts unternimmt. 

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Retraites Populaires ist Kunde von elipsLife. Was macht elispLife besser als die Konkurrenz?
Unsere teilautonome Stiftung Profilia ist bei elipsLife rückversichert. Für uns ist es wichtig, in einem Schadenfall mit unseren Versicherten direkt in Kontakt zu bleiben. Als wir Anfang 2021 einen neuen Rückversicherer suchten, wollten wir nicht nur einen preislich interessanten Partner, sondern einen, der auf unser Modell betreffend Abläufe eingeht. elipsLife war dazu in der Lage und wir sind bisher mit der Zusammenarbeit sehr zufrieden. Wir erleben elipsLife als kompetent, lösungsorientiert, mit ausgeprägtem Kundenfokus und kurzen Entscheidungswegen. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen erwarten wir dank der Zusammenarbeit mit elipsLife weitere, grosse Effizienzgewinne. 

Trotz Krieg in Europa, Pandemie und Inflation, die Altersvorsorge bleibt eine der grössten Sorgen der Schweizerinnen und Schweizer. Im Herbst stimmen wir über die AHV 21 ab mit einheitlichem Referenzalter und höherer Mehrwertsteuer. Wie stehen Sie zum Rentenalter 65 für Frauen?
Ich befürchte, dass die dringendst benötigte AHV-Revision an der Frage des Rentenalters 65 für Frauen scheitern wird. Aus meiner Sicht hat die breite Bevölkerung grundsätzlich nichts gegen eine Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65. Aber es fehlen meiner Meinung nach Kompensationsmassnahmen für das Rentenalter, insbesondere im Rahmen der 2. Säule, wo die Frauen stark benachteiligt sind. Ich frage mich, ob die AHV-Reform aus taktischen Gründen nicht ohne das Element des Frauenrentenalters hätte lanciert werden sollen. Diese Frage hätte man auch bei der Reform der 2. Säule anpacken können. So wäre Zeit gewesen, die Kompensationsmassnahmen zu verbessern. 

Auch die 2. Säule soll saniert werden, mit tieferem Umwandlungssatz und Kompensation der Rentenausfälle via Lohnprozente. Im Parlament hatte die Vorlage einen schweren Stand, vor allem wegen der systemfremden Umverteilung. Wo würden Sie die Prioritäten bei der BVG-Sanierung setzen?
Die Reform der 2. Säule ist zwingend, weil der Umwandlungssatz mit 6,8% schlicht zu hoch ist. Ich würde die Priorität indessen auf die Senkung des Koordinationsabzugs legen oder diesen ganz streichen. Bleibt der Koordinationsabzug bestehen, würde ich diesen als Prozentsatz des Beschäftigungsgrades berechnen und ihn so tief wie möglich halten. Zudem sollten die Jungen die Möglichkeit erhalten, bereits vor Alter 25 Beiträge in die PK einzuzahlen. Drittens schliesslich würde ich das BVG den neuen Arbeitsformen anpassen und Massnahmen für die Frauen einführen, weil diese im gegenwärtigen System oft benachteiligt sind. Es ist unsere Verantwortung, den Leuten eine anständige Vorsorge zu sichern. Andersfalls wird diese Belastung auf die Gesellschaft übertragen.  

Welche Massnahmen zur Frauenförderung sehen Sie im BVG?
Im Vordergrund steht die Teilzeitarbeit, insbesondere bei mehreren Teilzeitjobs gleichzeitig. Wird jede Teilzeitstelle tief entlöhnt, kann das dazu führen, dass die entsprechende Person gar keine PK-Beiträge leistet. Rund 60% der Frauen arbeiten Teilzeit, während dies nur 18% der Männer tun! Auch die Witwenrente ist ein Problem. Eine Witwe erhält nur zwischen 40 und 60% der Rente ihres verstorbenen Partners. Diese Reduktion ist einfach zu hoch, da drängen sich Verbesserungen auf.

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Zur Person
Judith Granat
Directrice marketing, conseil et communication, Retraites Populaires

Judith Granat, 1975, Schweizer Staatsbürgerin, ist seit Januar 2018 in der Geschäftsleitung von Retraites Populaires und leitet die Division Marketing, Beratung und Kommunikation. Sie hat einen Doktortitel und einen Major in Business Administration der Universität St. Gallen, HSG. Zu Retraites Populaires stiess sie 2016, davor war Judith Granat in leitender Funktion bei den Services Industriels de Lausanne engagiert, wo sie für den Bereich Telekommunikation und Medien verantwortlich zeichnete. Sie ist verheiratet, Mutter von zwei Kindern und lebt in Blonay. Privat verbringt die leidenschaftliche Gourmet-Köchin viel Zeit mit ihrer Familie und mit Golfen.

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