echo-Interview mit Karin Frick, Principal Researcher, Gottlieb Duttweiler Institut, Rüschlikon
elipseLife: Frau Frick, das Gottlieb Duttweiler Institut beschäftigt sich seit der Gründung 1963 mit Zukunftsfragen. Als Principal Researcher analysieren Sie Trends in Wirtschaft und Gesellschaft, unsere Zukunft ist sozusagen Ihr Alltag. Können Sie ob all der Unwägbarkeiten auf der Welt noch ruhig schlafen?
Sich mit der Zukunft auseinanderzusetzen, ist nicht ein Privileg der Forschung. Jeder Entscheid jedes Menschen betrifft immer die Zukunft, ob Berufswahl, Partnerwahl, Weiterbildung oder Immobilienkauf. All diesen Entscheidungen liegen implizite Vorstellungen zugrunde, wie diese Zukunft aussehen sollte. Die Zukunft ist also immer präsent, aber unberechenbar. Sie ist Spekulation, kommt aber trotzdem fast nie überraschend, da sie das Ergebnis von vorangegangen Entwicklungen und Entscheidungen ist. Zwar gibt es unerwartete Ereignisse wie Unfälle oder Anschläge, doch neue Technologien brauchen nach der Erfindung meist Jahrzehnte, bis sich diese etabliert haben. Für die Öffentlichkeit mag die jüngst rasante Entwicklung bei der Künstlichen Intelligenz (KI) überraschend sein, für mit der Materie vertraute Menschen ist sie es nicht. Zukunft ist ein Möglichkeitsfeld, und die Auseinandersetzung mit diesen Möglichkeiten, den Risiken und Chancen, machen die meisten Menschen implizit. Machen sie es beruflich, ist die Auseinandersetzung explizit. Ich schlafe daher wahrscheinlich besser als jemand, der sich nicht dauernd mit diesen Fragen beschäftigt.
Sie haben es erwähnt: Künstliche Intelligenz ist in aller Munde. Oft hat man aber das Gefühl, dass unter diesem Begriff Unterschiedliches verstanden wird. Wie definieren Sie KI?
Unter KI verstehe ich Software. Im Unterschied zur Software, die wir seit Jahrzehnten brauchen, kann sie lernen und zunehmend autonom Fragen aufgrund unstrukturierter Daten beantworten. Neu lässt sich mit der Software sprechen, während man früher programmieren musste. Zudem entwickelt sich das Programm heute selbst weiter. Diese Lernfähigkeit ist ein entscheidender Unterschied zu bisheriger Software. Heute haben Maschinen mit KI gewissermassen Augen und Ohren, sie können zuhören und machen Interaktion möglich – bis zur Simulation menschenähnlicher Verhaltensweisen.
KI wird von Menschen erschaffen, also von einer bekanntlich durchaus fehlbaren Intelligenz. Weshalb soll KI nicht genauso fehlbar sein?
Sicher ist KI fehlbar! Ein immanenter Fehler von KI ist, dass diese Software keinen Schmerz empfindet. Menschen lernen aus Erfahrung, wie schmerzhaft Fehler sein können. Essen wir zum Beispiel etwas Falsches, haben wir Bauchschmerzen. Der Software dagegen tut nichts weh. Menschen haben zudem ein moralisches Empfinden, ob angeboren oder angelernt, welches der Software – zumindest vorläufig – abgeht. Die Tatsache, dass sie keinen Schmerz empfindet, macht sie fehleranfällig. Deshalb erscheint es auch sehr schwierig, dieser Software die Sensibilität mitzugeben, die wir Menschen haben.